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Zurück in London

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Von Northhampton nach London

Warten auf Wind in London

Fox dankt ab

London, den 14ten Juli.

Die Reise von Northhampton bis London kann ich wiederum keine Reise, sondern nur eine Bewegung von einem Orte zum andern in einem zugemachten Kasten, nennen, wobei man etwa mit ein Paar Leuten, die sich auf eben die Art fortbewegen lassen, wenn das Glück gut ist, konversieren kann.

Bei mir war das Glück so gut nicht, denn meine drei Reisegefährten waren Pächter, die so fest schliefen, daß sie durch die herzhaftesten Kopfstöße, womit sie sich einander begrüßten, nicht aufgerüttelt wurden.

Ihre von Bier und Branntwein aufgedunsenen Gesichter lagen wie dicke, tote Fleischmassen vor mir. – Und wenn sie einmal erwachten, so waren Schafe, womit sie handelten, ihr erstes und ihr letztes Wort.

Der eine unter ihnen aber war von den übrigen beiden sehr verschieden: sein Gesicht war gelb und hager, seine Augen tief eingefallen, seine langen gelben Finger schlotterten an seinen Händen, er sahe aus wie Geiz und Menschenhaß.

Das erstre war er, denn er weigerte sich auf jeder Station, dem Kutscher das gewöhnliche Trinkgeld zu geben, was doch alle gaben, und jeder Heller, den er bezahlen mußte, preßte ihm ein God damm! aus dem Herzen.

Wenn er im Wagen saß, scheute er das Licht, und machte, wo er nur konnte, alle Fenster zu, wenn ich nicht zuweilen eins wieder aufriß, um gleichsam nur einen Anblick von den reizenden Gegenden zu haschen, vor denen wir im Fluge vorbeifuhren.

Unser Weg ging über Newport Pagnel, Dunstable, St. Albans, Barnet, bis Islington oder vielmehr London selbst, Aber die Namen sind auch nun alles, was ich von diesen Örtern zu sagen weiß.

In Dunstable, wo mir recht ist, frühstückten wir, und es ward hier alles, wie es auch bei uns auf den Postwagen gebräuchlich ist, von den Passagiers gemeinschaftlich bezahlt. Ich hatte mir, weil ich dies nicht wußte, besonders Kaffee bestellt; allein weil er einmal da war, tranken die drei Pächter mit, und ließen mich wieder von ihrem Tee mittrinken.

Sie fragten mich, aus welchem Teile der Welt ich sei, anstatt daß man bei uns frägt, was für ein Landsmann einer ist.

Da wir nun gefrühstückt hatten, und wieder in dem Wagen saßen, schienen die Pächter, den hagern ausgenommen, ordentlich aufzuleben, und fingen Religions- und politische Discourse an.

Der eine brachte die Geschichte von Simson aufs Tapet, welche sein Pfarrer neulich erklärt hatte, und machte sich doch selbst allerlei Zweifel gegen das große Tor, was Simson getragen, und die Füchse mit den Feuerbränden zwischen den Schwänzen, ob er gleich sonst in seinem Glauben fest war.

Sie erzählten sich darauf allerlei Geschichtchen aus der Bibel, nicht als ob sie dieselben schon als bekannt voraussetzten, sondern sie irgendwo als angenehme Historien hätten erzählen hören. Das meiste hatten sie auch von ihrem Pfarrer gehört, und nicht selbst gelesen.

Der eine fing darauf von den Juden im alten Testament an, und daß die jetzigen davon abstammten. –

Sie sind in Ewigkeit verdammt! – sagte der andre so kaltblütig und zuversichtlich, als ob er sie schon lichterloh brennen sähe.

Wir bekamen nun sehr oft neue Passagier, die zuweilen nur eine Strecke mitfuhren, und dann wieder abstiegen. Unter andern eine Branntweinbrennerin aus London, die uns mit einer Erzählung aller der schrecklichen Auftritte, bei dem letzten Aufruhr in London unterhielt. Besonders auffallend war mir, wie ein Kerl ihrem Hause gegenüber so wütend war, daß er auf der Mauer eines schon halbabgebrannten Hauses stand, und noch mit eigenen Händen die Steine loszureißen suchte, welche das Feuer hatte stehen lassen, bis er erschossen ward, und rücklings in die Flamme fiel.

Endlich kamen wir denn im vollen Regen ohngefähr um ein Uhr in London an. Ich hatte in Northhampton für die sechs und sechzig Meilen bis London, sechzehn Schillinge vorausbezahlen müssen. Dies schien der Kutscher nicht gewiß zu wissen, und fragte mich daher, ob ich schon bezahlt habe, welches er mir doch nun auf mein Wort glauben mußte.

Ich sahe aus, wie ein halber Wilder, da ich in London wieder ankam; demohngeachtet nahm mich Herr Pointer, bei dem mein Koffer stand, sehr freundschaftlich auf, und ließ sich über Tische meine Abenteuer von mir erzählen.

Ich besuchte den Abend noch Herrn Leonhardi, welcher mich, weil ich wegen der Paar Tage, die ich etwa noch auf guten Wind warten mußte, kein Logis mieten wollte, bis dahin in Freemasons Tavern unterbrachte.

Allein hier in Freemasons Tavern warte ich nun schon acht Tage, und der Wind weht noch beständig von Hamburg her, statt daß er hinwehen sollte, welches ich nun herzlich wünsche, weil ich doch den hiesigen Aufenthalt fast gar nicht mehr nützen kann, indem ich mich beständig bereit halten muß, zu Schiffe zu gehen, sobald der Wind umschlägt, und mich also nicht weit versteigen darf.

Alles ist jetzt voll von Rockinghams Tode, und der darauf erfolgten Veränderung des Ministeriums. Daß Fox seine Stelle niedergelegt hat, darüber ist jedermann aufgebracht, und doch ist es sonderbar, alles nimmt Teil an ihm, und interessiert sich für ihn, wie für jemanden, von dem es einem leid tut, wenn man schlecht von ihm denken soll.

Am Dienstage war eine der wichtigsten Debatten im Parlamente. Fox war aufgefordert, seine Gründe der Nation darzulegen, warum er resigniert habe. Um eilf Uhr war das Haus von Zuschauern schon so voll, daß niemand mehr darin Platz finden konnte; und um drei Uhr gehen doch erst die Debatten an, die diesmal bis den Abend um zehn Uhr dauerten.

Gegen vier Uhr kam Fox. Alles war voll Erwartung. Er sprach mit großer Heftigkeit, ließ es aber dennoch merken, wie sehr er diese Heftigkeit mäßige, und als er nun den Schritt den er getan, mit allen Gründen verteidigt hatte, und nun sagte: now I stand here again, poor as I was. &c. nun stehe ich hier wieder, arm wie ich war! u.s.w. so war dies wirklich für den Zuhörer rührend und erschütternd.

Der General Conway sagte darauf seine Gründe, warum er nicht abdankte, ob er gleich mit Herrn Fox und Burke einerlei politische Grundsätze habe: er sei nehmlich in Ansehung der Independenz von Amerika, der bessern Repräsentation des Volkes im Parlamente, und der Irrländischen Angelegenheiten, mit ihnen einerlei Meinung, glaube aber nicht, daß der jetzige Minister, Graf Schelburn, gegen diese Grundsätze handeln werde, sobald er dies tun würde, resignierte er ebenfalls, aber nicht eher.