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Unterkunft

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Heiliger Sonntag

Viehzeugs im Park

Wämendes englisches Kaminfeuer

Ich bewohne nun ein großes Zimmer unten an der Erde vorn heraus, das mit Tapeten und Fußteppichen versehen, und sehr gut möbliert ist. Die Stühle sind mit Leder überzogen, und die Tische von Mahagoniholz: darneben habe ich noch eine große Kammer. Nun kann ich mich hier einrichten wie ich will, und mir meinen eignen Tee, Kaffee, Butter und Brot halten, wozu mir meine Wirtin einen verschloßnen gläsernen Schrank in der Stube eingeräumt hat.

Die Familie besteht aus der Frau im Hause, ihrer Magd und ihren beiden kleinen Söhnen Jacky und Jerry, sonderbare Namenverkürzungen von Johannes und Jeremias. Der älteste, Jacky, von zwölf Jahren, ist ein sehr lebhafter Kopf, und unterhält mich auf die angenehmste Art, indem er mir von seinen Beschäftigungen in der Schule erzählt, und sich von mir wieder allerlei von Deutschland erzählen läßt. Er weiß sein amo, amam, amas, ames, in eben solchem singenden Tone wie unsre gewöhnlichen Schulknaben herzusagen. Als ich in seiner Gegenwart anfing irgend eine fröhliche Melodie für mich zu trillern, sahe er mich sehr bedenklich und verwundernd an, und erinnerte mich, daß es Sonntag sei. Um ihm kein Ärgernis zu geben, antwortete ich ihm, daß ich bei der Verwirrung der Reise nicht auf den Tag gemerkt hätte. Er hat mich heute Mittag schon in den St. James-Park geführt, der nicht weit von hier ist; und nun hören Sie denn etwas von dem berühmten

St. James-Park.
Dieser Park ist weiter nichts als ein halber Cirkel von einer Allee von Bäumen, der einen großen grünen Rasenplatz einschließt, in dessen Mitte ein sumpfigter Teich befindlich ist.

Auf dem grünen Rasen weiden Kühe, deren Milch man hier, so frisch, wie sie gemolken wird, verkauft. In den Alleen sind Bänke zum Ausruhen. Wenn man durch die Horse-Guards oder Königliche Wache zu Pferde, welche mit verschiednen Durchgängen versehen ist, in den Park kömmt, so ist zur rechten Seite, St. James Palace, oder die Königliche Residenz, wie bekannt, eines der unansehnlichsten Gebäude in London. Ganz unten am Ende ist der Palast der Königin, zwar schön und modern, aber doch sehr einem Privatgebäude ähnlich. Übrigens gibt es allenthalben um St. James-Park sehr prächtige Gebäude, die diesen Platz um ein Großes verschönern. Auch ist vor dem halben Cirkel, der durch die Alleen gebildet wird, noch ein großer Platz, wo die Parade gestellt wird.

Wie wenig aber dieser so berühmte Park mit unserm Berliner Tiergarten zu vergleichen sei, darf ich nicht erst sagen. Und doch macht man sich eine so hohe Idee von dem St. James-Park und andern öffentlichen Plätzen in London: das macht, weil sie mehr als die unsern in Romanen und Büchern figuriert haben. Beinahe sind die Londner Plätze und Straßen weltbekannter, als die meisten unsrer Städte.

Was aber freilich den St. James-Park einigermaßen wieder erhebt, ist eine erstaunliche Menge von Menschen, die gegen Abend bei schönem Wetter darin spazieren geht. So voll von Menschen sind bei uns die besten Spaziergänge niemals, auch in den schönsten Sommertagen nicht, als hier beständig im dicksten Gedränge auf und niedergehen. Das Vergnügen, mich in ein solches Gedränge fast lauter wohlgekleideter und schöngebildeter Personen zu mischen, habe ich heute Abend zum erstenmal genossen.

Ehe ich in den Park ging, machte ich mit meinem Jacky noch einen andern Spaziergang, der mich nur sehr wenige Schritte kostete, und doch außerordentlich reizend war. Ich ging nehmlich die kleine Straße, wo ich wohne, nach der Themse zu hinunter, und stieg, beinahe am Ende derselben, zur linken Seite noch einige Stufen hinab, die mich auf eine angenehme mit Bäumen besetzte Terrasse am Ufer der Themse führten.

Von hieraus hatte ich den schönsten Anblick, den man sich nur denken kann. Vor mir lag die Themse in ihrer Krümmung mit den prächtigen Schwibbögen ihrer Brücken; Westminster mit seiner ehrwürdigen Abtei zur rechten, und London mit der Paulskirche zur linken Seite, bog sich mit den Ufern der Themse vorwärts, und am jenseitigen Ufer lag Southwark, das jetzt auch mit zu London gerechnet wird. Hier konnte ich also beinahe die ganze Stadt, von der Seite wo sie der Themse zugewandt ist, mit einem Blick übersehen. Nicht weit von hier in dieser reizenden Gegend der Stadt hatte auch der berühmte Garrick seine Wohnung. Diesen Spaziergang werde ich aus meiner Wohnung gewiß sehr oft besuchen.

Heute Mittag holten mich meine beiden Engländer in ein nahegelegnes Speisehaus ab, wo wir für ein wenig Sallat und Braten einen Schilling, und beinahe halb so viel an den Aufwärter, nach unserm Gelde an neun bis zehn Groschen, bezahlen mußten, und doch soll es hier noch sehr wohlfeil sein. Ich werde künftig zu Hause essen, wie ich schon heute Abend getan habe. Ich sitze nun hier in London in meiner Stube beim Kaminfeuer, und so wäre nun dieser Tag zu Ende, der erste den ich in England zugebracht habe, und ich weiß kaum, ob ich es einen Tag nennen soll, wenn ich bedenke, was für mannigfaltige neue und auffallende Gegenstände in einer so kurzen Zeit vor meiner Seele vorübergegangen sind.