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Kunst & Literatur

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Große Leselust

Gute Antiquariate

Gebildetes niederes Volk

Vorzüglich gefiel es mir in der sogenannten Rotunde, einem prächtigen runden Gebäude im Garten, welches vermittelst schöner Kronleuchter und großer Spiegel auf das schönste erleuchtet war, und rund umher mit vortrefflichen Gemälden und Bildsäulen prangte, mit deren Betrachtung man sich Stundenlang auf die angenehmste Art beschäftigen kann, wenn man des Gewühls und Gedränges von Menschen in den Lustgängen des Gartens müde ist.

Unter den Gemälden stellt eins die Übergabe einer belagerten Stadt vor. Wenn man dies Gemälde lange ansieht, so wird man bis zu Tränen dadurch gerührt; denn der Ausdruck des höchsten Elends, der an Verzweiflung grenzt, bei den Belagerten, nebst der ängstlichen Erwartung des ungewissen Ausgangs, und was der Sieger über die Unglücklichen beschließen wird, ist in dem Gesicht der um Gnade flehenden Einwohner vom Greise bis auf den Säugling, den seine Mutter emporhält, so wahr und natürlich zu lesen, daß man sich ganz vergißt, und am Ende beinahe kein Gemälde mehr zu sehen glaubt.

Auch hier findet man die Büsten vorzüglicher englischer Schriftsteller rund umher an den Seiten aufgestellt. So findet der Britte seinen Schackspear, Lokke, Milton, Dryden auch an den Plätzen des öffentlichen Vergnügens wieder, und ehret da ihr Andenken. Selbst das Volk lernt diese Namen kennen, und nennt sie mit Ehrfurcht. In dieser Rotunde ist auch ein Orchester, worin bei regnigten Abenden die Musik aufgeführt wird. Doch genug von Vauxhall!

Ausgemacht ist es, daß die Englischen klassischen Schriftsteller, ohne alle Vergleichung, häufiger gelesen werden, als die Deutschen, die höchstens, außer den Gelehrten, der Mittelstand, und kaum dieser liest. Die Englischen Nationalschriftsteller liest das Volk, wie unter andern die unzähligen Auflagen beweisen.

Meine Wirtin, die nur eine Schneiderwitwe ist, liest ihren Milton, und erzählt mir, daß ihr verstorbner Mann, sie eben wegen der guten Deklamation, womit sie den Milton las, zuerst liebgewonnen habe. Dieser einzelne Fall würde nichts beweisen, allein ich habe schon mehrere Leute von geringeren Stande gesprochen, die alle ihre Nationalschriftsteller kannten und teils gelesen hatten. Dies veredelt die niedern Stände und bringt sie den Höhern näher. Es gibt dort beinahe keinen Gegenstand der gewöhnlichen Unterredung im höhern Stande, worüber der niedre nicht auch mitsprechen könnte. In Deutschland ist seit Gellerten noch kein Dichtername eigentlich wieder im Munde des Volks gewesen.

Aber es wird auch mehr für den Vertrieb der klassischen Schriftsteller, für wohlfeile und bequeme Ausgaben gesorgt. Man hat sie alle gebunden, in einer Folge in Taschenformat, und in welchem Format sie einer haben will. Ich habe mir für zwei Schillinge einen Milton in Duodez in niedlichem Franzband gekauft, der sich äußerst bequem in der Tasche tragen läßt. Auch scheinet es mir eine gute Einrichtung zu sein, daß die Bücher, welche am häufigsten gelesen werden, größtenteils schon sehr sauber gebunden sind, wenn man sie kauft.

Allenthalben auf den Straßen trifft man Antiquarien, die einzelne Stücke von Schakespear, und andre Kleinigkeiten für einen Penny, ja zuweilen für einen Halfpenny, (einen Dreier nach unserm Gelde) verkaufen. Von einem solchen Antiquarius habe ich beide Teile vom Vikar von Wakefield für einen Sixpence oder halben Schilling (vier Groschen ohngefähr) gekauft.

Wie aber unsre deutsche Literatur noch in England geschätzt wird, habe ich unter andern aus dem vorgedruckten Avertissement von einem Buche gesehen, das unter dem Titel the Entertaining Museum oder Complete Circulating Library, sowohl eine Reihe aller klassischen Englischen Schriftsteller, als auch Übersetzungen von den berühmtesten französischen, spanischen, italienischen und selbst deutschen (even german) Romanen enthalten soll.

Bei diesem Buche ist auch der wohlfeile Preis merkwürdig, wodurch die Bücher in England mehr unters Volk kommen. Damit, heißt es in dem Avertissement, jedermann im Stande sein möge, dies Werk zu kaufen, und sich allmählich eine sehr schätzbare Bibliothek anzuschaffen, ohne die Kosten gewahr zu werden, so wird wöchentlich ein Bändchen herauskommen, welches geheftet einen Sixpence (vier Groschen,) und gebunden, mit dem Titel auf dem Rücken, neun Pence (6 Groschen) kostet. Der 25ste und 26ste Band von diesem Werke enthalten den ersten und zweiten Teil vom Landprediger von Wakefield, den ich eben von einem Antiquarius gekauft habe.

Die einzige Übersetzung aus dem Deutschen, welche in England vorzüglich Glück gemacht hat, ist wohl Geßners Tod Abels. Die Übersetzung ist dort weit öfter aufgelegt, wie in Deutschland das Original. Man hat schon die achtzehnte Edition davon, und sie schreibt sich der Vorrede nach, von einem Frauenzimmer her. Klopstocks Messias ist, wie bekannt, äußerst schlecht aufgenommen worden; freilich soll auch die Übersetzung darnach sein, ich kann sie hier nicht zu Gesicht bekommen. Herr Pastor Wendeborn hat eine deutsche Sprachlehre für die Engländer, in Englischer Sprache geschrieben, die gut aufgenommen ist. Nicht zu vergessen ist, daß die Schriften unsers Jakob Böhme sämtlich ins Englische übersetzt sind.