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Politisches

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Heiße Debatten im Parlament

Hauen und Stechen im Debatierclub

Scharfe Zungen, Gelächter, spitze Bemerkungen und gute Laune

Sobald hingegen einer gut und zweckmäßig redet, so herrscht die äußerste Stille, und einer nach dem andern gibt seinen Beifall dadurch zu erkennen, dass er hear him! hört ihn! ruft, welches denn freilich oft vom ganzen Hause auf einmal geschiehet, und auf die Weise ein solches Geräusch verursacht, dass der Redende wiederum durch eben dieses hear him! oft unterbrochen wird. Demohngeachtet ist dieser Zuruf immer eine große Aufmunterung, und ich habe oft bemerkt, dass einer, der mit einiger Furchtsamkeit oder Kälte zu reden anfängt, am Ende dadurch in ein solches Feuer gesetzt wird, dass er mit einem Strome von Beredsamkeit spricht.

Weil alle Reden an den Sprecher gerichtet sind, so fangen sie sich immer mit Sir an, auf welche Anrede der Sprecher seinen Hut ein klein wenig abnimmt, ihn aber sogleich wieder aufsetzt. Dieses Sir, dient denn auch oftmals, die Übergänge in den Reden zu machen, und ist ein gutes Hülfsmittel, sobald jemanden sein Gedächtnis verläßt. Denn während, dass er Sir sagt, und dabei eine kleine Pause macht, besinnt er sich auf das Folgende. Doch habe ich auch gesehen, dass einer am Ende eine Art von Koncept aus der Tasche ziehen mußte, wie ein Kandidat, der in der Predigt stecken bleibt: sonst werden die Reden nicht abgelesen. Diese Reden haben ebenfalls ihre Gemeinörter, als z. B. worauf in diesem Hause immer vorzüglich Rücksicht genommen werden müsse, und dergleichen.

Gleich am ersten Tage zeigte mir ein Engländer, der neben mir auf der Galerie saß, die vornehmsten Mitglieder des Parlaments, als Fox, Burke, Rigby u. s. w., die ich alle reden hörte. Es wurde debattiert, ob dem Admiral Rodney außer dem Lordstitel noch eine reelle Belohnung sollte gegeben werden; zugleich wurde Fox von dem jungen Lord Fielding vorgeworfen, dass er sich als Minister der Wahl des Admiral Hood zum Parlamentsgliede für Westminster entgegengesetzt habe.

Fox hatte seinen Platz zur rechten Seite des Sprechers, nicht weit von dem Tische, worauf der vergoldete Scepter liegt, nun nahm er seine Stellung so nahe an diesem Tische, dass er ihn mit der Hand erreichen, und manchen herzhaften Schlag darauf tun konnte, nachdem es der Affekt seiner Rede erforderte: Und wie er sich nun gegen den Lord Fielding verteidigte, indem er behauptete, dass er sich nicht als Minister, sondern bloß als Privatmann dieser Wahl entgegengesetzt, und seine Stimme einem andern, nehmlich dem Herrn Cecil Wray, gegeben habe; und dass der König, da er ihn zum Staatssekretär gemacht, keinen Tausch mit ihm eingegangen sei, wodurch er seine Stimme als Privatmann verlöre, welchen Tausch er nicht würde angenommen haben; und mit welchem Feuer und hinreißender Beredsamkeit er sprach, und wie der Sprecher auf dem Stuhle aus seiner Wolkenperücke ihm unaufhörlich Beifall zunickte, und alles hear him! hear him! rief, und Speak yet! wenn es schien, als wollte er aufhören zu reden; und er auf die Weise beinahe zwei Stunden nacheinander sprach, das kann ich Ihnen nicht beschreiben. Rigby hielt darauf noch eine kurze aber sehr launigte Rede, worin er sagte, wie wenig der bloße Lords oder Lady´stitel ohne Geld zu bedeuten habe, und schloß mit der lateinischen Sentenz: infelix paupertas, quia ridiculos miseros facit, nachdem er vorher sehr fein bemerkt hatte, man müsse erst zu erfahren suchen, ob der Admiral Rodney nicht wiederum einige wichtige Prisen gemacht hätte, weil er alsdann eben keiner Belohnung an Gelde mehr bedürftig sein würde. Ich bin nachher fast alle Tage im Parlament gewesen, und ziehe die Unterhaltung, die ich dort finde, den meisten andern Vergnügungen vor.

Fox ist immer noch bei dem Volke sehr beliebt, ob man gleich unzufrieden darüber ist, dass auf seine Veranstaltung der Admiral Rodney zurückgerufen wird, auf den ich ihn doch selbst die stärkste Lobrede habe halten hören. Charles Fox ist schwärzlich, klein, untersetzt, gemeinhin schlecht frisiert, hat ein etwas jüdisches Ansehen, ist übrigens wohlgebildet, und die Politik sieht ihm aus den Augen: Mr. Fox is cunning like a Fox habe ich hier oft sagen hören. Burke ist ein wohlgewachsener langer gerader Mann, der schon etwas ältlich aussieht. Rigby ist sehr korpulent, und hat ein rotes starkes Gesicht.

Sehr auffallend waren mir die offenbaren Beleidigungen und Grobheiten, welche sich oft die Parlamentsglieder einander sagten, indem der eine z. B. aufhörte zu reden, und der andre unmittelbar darauf anfing: it is quite absurd u. s. w. Es ist höchst ungereimt, was der right honourable Gentleman, mit diesem Titel beehren sich die Parlamentsglieder vom Unterhause, eben jetzt vorgetragen hat. Niemals aber sagt, der Einrichtung gemäß, jemand dem andern ins Gesicht, dass er z. B. einfältig gesprochen habe, sondern er wendet sich, wie gewöhnlich, zu dem Sprecher, und sagt, indem er diesen anredet, der right honourable Gentleman habe sehr einfältig gesprochen.

Sehr komisch sieht es aus, wenn zuweilen einer spricht, und der andre die Gestus dazu macht: wie ich dies einmal bei einem alten ehrlichen Bürger bemerkte, der sich selbst nicht zu reden getraute, aber indes sein Nachbar sprach, jede nachdrückliche Sentenz desselben mit einer eben so nachdrücklichen Gestikulation, wobei sein ganzer Körper in Bewegung geriet, bezeichnete.

Oft verirret sich der Gang der Debatten in einen Privatwortwechsel und Mißverständnisse untereinander, wenn dies zu lange dauert, und man zu sehr von der Hauptsache abkömmt, so wird man endlich des Dings überdrüssig, und es entstehet ein allgemeines Rufen: The question! The question! Dies muß zuweilen öfter wiederholt werden, weil immer einer gegen den andern noch gern das letzte Wort haben will. Endlich aber kömmt es denn doch zum Stimmen, und der Sprecher sagt: wer für die Sache ist, der sage ay, und wer darwieder ist, sage no! Dann hört man ein verwirrtes Geschrei von ay und no untereinander. Und der Sprecher sagt entweder: mir deucht, es sind mehr ay´s als no´s, oder, es sind mehr no´s als ay´s. Denn müssen aber alle Zuschauer von der Galerie gehen, und das eigentliche Stimmen nimmt erst seinen Anfang. Die Parlamentsglieder schreien alsdann zu der Galerie hinauf withdraw! withdraw! bis alle Zuschauer entfernt sind. Diese werden solange in ein Zimmer unten an der Treppe eingesperrt, und wenn das Stimmen vorbei ist, wieder hinaufgelassen. Hier habe ich mich über den Mutwillen, selbst bei gesitteten Engländern wundern müssen, mit welcher Gewalt sie sich wieder aus der Stube hinausdrängten, sobald nur die Türe geöffnet wurde, um die ersten zu sein, die wieder auf der Galerie ankamen. Auf die Weise sind wir zuweilen zwei bis dreimal von der Galerie fortgeschickt, und wieder hinaufgelassen worden.

Unter den Zuschauern gibt es Leute von allerlei Stande, auch sind beständig Damen darunter. Ein Paar Geschwindschreiber haben zuweilen nicht weit von mir gesessen, die auf eine etwas verstohlne Weise, die Worte des Redenden nachzuschreiben suchten, welche denn gemeiniglich noch denselben Abend gedruckt zu lesen sind. Vermutlich werden diese Leute von den Verlegern der Zeitungen besoldet. Einige Personen gibt es, die beständige Zuschauer im Parlament sind, und für eine ganze Sitzung eine Guinee an den Türsteher pränumerieren. Von den Parlamentsgliedern habe ich gesehen, dass einige ihre Söhne, als junge Knaben schon mit in dies Haus und auf ihre Sitze nahmen.

Es ist im Vorschlage gewesen, dass im Oberhause auch eine Galerie für Zuschauer errichtet werden solle. Dies ist aber nicht zu Stande gekommen. Auch geht es im Oberhause schon sittsamer und hofmäßiger zu. Wer aber Menschen beobachten, und die abstechendsten Charaktere in ihren stärksten Äußerungen betrachten will, der gehe ins Unterhaus!

Vergangnen Dienstag war Hängetag; es war aber auch zugleich eine Parlamentswahl: eins von beiden konnte ich nur mit ansehen, ich zog denn, wie natürlich, das letztre vor, indem ich nur in der Ferne die Totenglocke jener Opfer der Gerechtigkeit läuten hörte. Jetzt beschreibe ich Ihnen also