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Law Courts

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Im Reich der weißen Perücken

Die Law Courts

Englisches Rechtssystem

Fleet St.; U-Bahn: Temple. Während der Sitzungen – in der Regel 10.30-13h und 14-16h – haben Besucher Gelegenheit, einen Blick ins Innenleben des Gerichtshofs zu werfen oder gar einem Prozeß beizuwohnen (mehrere Sitzungssäle). Die perückenbewehrten Richter und Anwälte scheinen einem verstaubten Spielfilm entsprungen. Auf keinen Fall sollte man vergessen, die Richter bei Erscheinen gebührend zu begrüßen, wozu es genügt, einen tiefen Diener zu machen. Der Besuch lohnt sich allerdings nur, wenn man die Sprache halbwegs beherrscht.
Bekanntlich gründet das englische Recht auf dem ungeschriebenen germanischen Gewohnheitsrecht, während überall sonst das geschriebene »römische Recht« gilt, in seiner moderneren Fassung auf den Code Napoléen zurückgehend. Das britische Recht ist also ursprünglich ein »Fallrecht« wobei sich der Richter an Entscheidungen seiner Vorgänger in ähnlichen Fällen orientierte. Natürlich funktioniert das heute nicht mehr ganz so, so dass rund viertausend Gesetze im Zivilrecht Anwendung finden, während sie im Strafrecht nunmehr fast alle Delikte abdecken. Die Geschworenen befinden übrigens auf schuldig oder unschuldig, während der Richter allein über das Strafmaß bestimmt. In Großbritannien gibt es nur rund vierhundertachtzig Richter gegenüber rund zwanzigtausend in der BRD. Das Durchschnittsalter beträgt sechzig Jahre. Während unsere Richter bereis mit Ende zwanzig Jahren ihr Amt bekleiden, tun sie dies in Großbritannien erst zwischen fünfzig und fünfundfünfzig Jahren. Ihr Ansehen ist unvergleichlich hoch; sie sind Persönlichkeiten, deren Namen fast täglich in allgemeinen gesellschaftlichen Zusammenhängen in der Presse erscheinen. Möglich wird diese niedrige Zahl, weil die Briten allgemein weniger prozessieren, etwa nur ein Drittel so oft wie bei uns, und 97% aller Strafverfahren von Laienrichtern, den Justices of Peace, entschieden werden. Seit Heinrich II, wurden Gerichtstage, die Assizes, abgehalten, zu denen die Richter aus London anreisten. Zwar wurde dieses System nach rund achthundert Jahren geändert, aber die wichtigsten Prozesse mit hohem Streitwert bleiben achtzig Richtern des High Court vorbehalten. Sie bereisen weiterhin das Land, entscheiden in fünfundzwanzig Städten in zivilrechtlichen Streitigkeiten und führen in neunzig Städten den Vorsitz bei Kapitalverbrechen. Alle Richter waren vorher Barristers und wurden mit Ausnahme der allerhöchsten, die der Krone vom Premier vorgeschlagen werden müssen, vom Lord Chancellor, Mitglied der Regierung und eine Art Justizminister, auch oberster Richter sowie Vorsitzender des Oberhauses, bestallt. Siehe auch »Temple« unter »Streifzüge, Die Zentren«.