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Thronfrage

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König Charles?

Der Prinz sitzt zwischen allen Stühlen

Die Frage der Thronfolge

Ende 1994 dementierte Charles Gerüchte um einen Thronverzicht, was viele aus ähnlichen Gründen wie weiland bei Eduard VIII. nicht ungern sähen (s. Windsor Castle ), denn Charles´ Ansichten sind unorthodox, seine Meinungen über Britanniens Mitwirken in der EU, über das Versagen des öffentlichen Erziehungssystems und das mangelnde Verantwortungsbewußtsein der Industrie prononciert. Sie zögen es vor, wenn einer seiner Söhne, William oder Henry, König werden würde. So kritisiert Charles nicht nur schädliche Einflüsse der modernen Landwirtschaft auf die Umwelt und die architektonische Verschandelung der Städte, sondern mahnt auch den Staat an seine Pflicht, Kultur und Kunst zu fördern und warnt vor den Gefahren einer Politik des Wachstums. Seine religiösen und gesellschaftlichen Überzeugungen bestehen aus einem Gemisch von Mystizismus nach C.G. Jung und sozialen Utopien, so dass sich Abgründe zwischen ihm und der Anglikanischen Kirche, deren Oberhaupt er ja werden würde, auftun. Er versucht halt nach Kräften, zu irgend etwas nütze zu sein. Der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes erscheint Charles als künftiger Monarch, der sich nicht mit geltenden Spielregeln, die ihm eine Rolle als Zierrat zuweisen, abfinden würde. Somit bedroht er das System. Moralisch verbrämte Angriffe wurzeln in der Befürchtung, er könne etwas bewegen.

Nicht verwunderlich also, dass die herrschende Klasse Charles nicht schützt. Erst vor einer Generation ohrfeigte ein Royalist Lord Altrincham auf der Straße, weil dieser gespottet hatte, die Königin leiere ihren Reden herunter wie ein »affektiertes Schulmädchen«. Entgegen dem Anschein sind die britischen Massenblätter nicht mutig, sondern traditionell eher servil in königlichen Angelegenheiten.

Als die ersten kompromittierenden Tonbänder auftauchten, schlossen die Pressebarone sie erst mal weg. Probeweise erschienen erste Schmierereien auf den Sockeln königlicher Standbilder. Den verantwortlichen Redakteuren geschah nichts. Das ermutigte zu weiteren Versuchen, zumal Charles und Diana begannen, rivalisierende Blätter mit Eheinterna zu munitionieren. Wieder donnerte die herrschende Schicht nicht los. Bald waren die Statuen über und über besudelt. Kein Minister erhob sich, um den Verlegern zu drohen, sie würden keine Lordtitel mehr erhalten, wenn die Pest nicht aufhöre. Im Gegenteil: es schien, als hätten es einige Leute ganz oben so gewollt. Bei weiteren Eskapaden und dem Absinken des Ansehens des Könighauses würden sie die Monarchie zur Erhaltung ihrer Macht opfern. Das würde allerdings nicht viel ausrichten, denn das Problem ist nach Neil Ascherson, Kolumnist des Independent on Sunday, nicht, dass etwas mit der Monarchie nicht stimme, sondern dass ihr gesamtes Umfeld, die nie reformierten Staatsstrukturen – in vielerlei Hinsicht dem späten 17. Jh. verhaftet – im Begriff seien, auseinanderzubrechen.

Dass Charles so gefährlich nicht ist, zeigt sich bei seinen Reden über Dinge, von denen er besonders viel versteht, etwa über den adelnden Segen der Arbeit oder die Tugend der Sparsamkeit. Letztere versuchte er kürzlich ausgerechnet den Nordiren nahezubringen. Sie sollten doch, mahnte er in einer Rede vor Belfaster Arbeitern, »Zukunftsvorsorge betreiben und soviel Geld anlegen, wie es Ihnen möglich ist« – aus irischer Sicht völliger Blödsinn, denn die Bank rückt höchstens 8% raus, während der Whiskey doch 43% bietet.