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Protestantismus

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Geschichte der Reformation

Wirtschaftliche Bedingungen

Protestantismus und Kapitalismus

Dementsprechend verwundert es nicht, dass der Protestantismus zunächst alle wirtschaftlich entwickelten Gebiete Europas erfaßte. Beispiel: weite Gebiete Mitteldeutschlands und Flanderns mit Bergbau bzw. Woll- und Tuchindustrie und Manufakturen, die Hansestädte, Lyon mit der Seidenweberei sowie andere Handelsstädte Frankreichs, die Gebiete entlang der Mittelmeerküste, dann La Rochelle und in England Liverpool als wichtigste Häfen für den Verkehr mit Nordamerika und schließlich ganz Großbritannien als Land, das von Handel und Schiffahrt sowie der Ausfuhr seiner Tuche lebte (Tuchindustrie: die erste "Domäne der Bourgoisie" nach Marx). Die Geschichte verhalf Rationalität, Vernunft, Planung etc. zu ihrem gebührenden Platz und verwies Wundergläubigkeit und Aberglauben in ihre Schranken, ohne allerdings die Religion abschaffen zu können.

Während das Bürgertum sie in seiner revolutionären Phase stets heftig bekämpfte, erkannte es nach Erreichen der politischen Gewalt ihre Nützlichkeit zur Festigung seiner Macht. Es leuchtet ein, dass Menschen, denen von der Kirche unter Strafe von Hölle, Fegefeuer oder Exkommunion gepredigt wird, ihrer weltlichen Obrigkeit gehorchen zu müssen, und denen weiterhin Entschädigung durch himmlische Freuden für ihre irdischen Leiden versprochen wird, während ihre Peiniger hienieden dafür in der Hölle braten, gehorsame Arbeiter sein werden.

Wirtschaftliche Werte

Die Entwicklung brachte aber auch eine Überbewertung jener Tugenden hervor, die wir in übersteigerter Form als so typisch »deutsch« empfinden, obwohl die Schweizer mit ihrem Kalvinismus davon vielleicht noch mehr abbekommen haben, die Ausländer so bewundern und gleichzeitig bespötteln, sowie eine ganz bestimmte Verbiegung des Charakters:

Arbeit, Ordnung, Pflicht, Disziplin, Pünktlichkeit, Kalkül, Pedanterie, Strenge, Autorität, Nüchternheit, Asexualität, Beherrschung und allgemeine Affektdämpfung, Sauberkeit, verbunden mit Steifheit, Grübelsucht, Unfähigkeit zu Spontanität, usw., kurz Gestalten, mit denen sich wunderbar Fabriken, aber auch Konzentrationslager betreiben lassen und die so kaputt sind, dass sie noch um drei Uhr nachts vor einer roten Ampel stehen können, nicht weil ein Auto in Sicht wäre – oh nein! – sondern weil die Ampel rot zeigt, deshalb.

Augenfälliges Krankheitsmerkmal solcher Menschen, die viel mit Geld zu tun haben, ist ihre Sterilität. Sie sehen uniform aus, oft aalglatt. Die Tatsache, dass eine Krankheit vorherrschend, "normal", wird, macht sie nicht zur "Nichtkrankheit", genausowenig, wie der Krebs eine "Nichtkrankheit", nur weil man "normalerweise" daran stürbe.

Ferner ließ der Protestantismus eine Menge Freuden verbieten, da diese ja unnütz waren, also kein Geld eintrugen, wie Kartenspielen, Tanzen, Trinken und das Schönste natürlich ... Obwohl der Herr uns mit einem so starken Trieb ausstattete, dass wir die sexysten Lebewesen auf dieser Erde sind, denn wir können grundsätzlich immer, gefällt ihm dieser Zug an uns seit der Geschichte mit dem Apfel überhaupt nicht. Abgeschafft oder uns neugeschaffen hat er aber auch nicht.

Hinter dieser »Erbsünde« steckt ein verbotener Koitus. Drum verfolgt der Herr unablässig alle Gläubigen durchs (u.a. kirchl. erzeugte) Gewissen bzw. durch seine Knechte im Talar, während er Ungläubigen allerdings nichts anhaben kann. Warum will er erstere nur ärgern? Will er sie nur provozieren, damit sie schuldbeladen immer wieder zu ihm zurückkehren? Noch nie wurde kirchlicherseits dieser seltsame Gegensatz zwischen gottgegebenem Trieb und Verbot erklärt.