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Landleben

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Paradisisches Landleben

Landhäuser und Lustschlösser

Nette Ausflugsziele: Richmond Hill

Tage und Stunden fingen mich an zu gereuen, die ich in London zugebracht hatte, und ich machte mir tausend Vorwürfe wegen meiner Unentschlossenheit, dass ich nicht schon längst jenen großen Kerker verlassen hatte, um mich in einem Paradiese zu verweilen.

Ja, wie die Einbildungskraft sich nur ein Paradies erschaffen will, dazu findet sie Stoff in diesen herrlichen Gegenden. Hier war es, wo Thomson und Pope die reizenden Bilder sammleten, woraus ihre unnachahmlichen Gemälde der schönen Natur zusammengesetzt sind.

Statt des wilden Geräusches in und um London, sahe ich in der Ferne wenige einzelne Familien, am Ufer der Themse Hand in Hand spazieren gehen. Alles atmete hier eine sanfte Stille, die mein Herz dem reinsten Genuß eröffnete.

Unter meinen Füßen das weiche Grün, das nur auf diesem Boden wächst, an der einen Seite ein Wald, den die Natur nicht schöner hervorbringen kann, und an der andern die Themse, mit ihrem jenseitigen Ufer, das sich wie ein Amphitheater empor hob, und seine hohen weißen Schlösser durch das dunkle Grün der Bäume in das Tal hinunter schimmern ließ.

O Richmond! Richmond! nie werde ich den Abend vergessen, wo du von deinen Hügeln so sanft auf mich herablächeltest, und mich allen Kummer vergessen ließest, da ich an dem blumigten Ufer der Themse voll Entzückung auf und nieder ging.

Wohl mir, dass ich jenem melancholischen Gemäuer noch zu rechter Zeit entflohen bin!

O ihr blühenden jugendlichen Wangen, ihr grünen Wiesen, und ihr Ströme, in diesem glückseligen Lande, wie habt ihr mich bezaubert! Allein dies soll mich nicht abhalten, auf jene dürren, mit Sand bestäubten Fluren wieder zurückzukehren, wo mein Schicksal mir den Fleck meiner Tätigkeit angewiesen hat. Aber die Erinnerung an diese Scene soll mir noch manche heitre Stunde gewähren!

So dachte ich, liebster Freund, bei meinem einsamen Spaziergange, und wirklich ist der gestrige Abend einer der angenehmsten meines Lebens gewesen.

Ich nahm mir fest vor am Morgen früh aufzustehen, und diesen Spaziergang wieder zu besuchen. Jetzt dachte ich, habe ich diese sanften Ebnen nur im Mondschein dämmern sehen, wie werden sie blitzen im Morgentau! Allein diese Hoffnung schlug mir fehl.

Und wie man sich denn gemeiniglich bei einem großen Vergnügen immer auf einen kleinen verdrießlichen Umstand gefaßt machen sollte, so ging es mir auch hier, da ich mich etwas verspätet, und indem ich nach Richmond zurückkehrte, den Namen und das Schild des Gasthofs vergessen hatte, in welchem ich eingekehrt war, so dass ich ihn erst mit vieler Mühe wiederfand, nachdem ich beinahe die ganze Stadt durchlaufen war.

Da ich zu Hause kam, erzählte ich von meinem Spaziergange, und man machte mir sehr viel Rühmens von der Aussicht von einem Hügel bei Richmond, der unter dem Namen Richmondhill bekannt ist, und eben der war, von welchem ich die weißen Häuser hatte in das Tal hinunter schimmern sehen. Von diesem Hügel nahm ich mir also vor, den künftigen Morgen die Sonne aufgehen zu sehen.

Die Frau im Hause zankte darauf noch mit dem Gesinde, worüber ich erst ziemlich spät einschlief, aber doch den Morgen um drei Uhr schon wieder aufgestanden war. Und nun fühlte ich sehr lebhaft den üblen Mißbrauch des späten Aufstehens in England; denn weil kein Mensch wach war, so konnte ich nicht aus dem Hause kommen, und hatte drei Stunden lang bis um sechs Uhr die entsetzlichste Langeweile, weil ich meinen Zweck nicht erreichen konnte.

Um sechs Uhr eröffnete denn endlich ein Hausknecht die Türe, und ich stieg nun Richmondhill hinauf. Zu meinem größten Mißvergnügen aber hatte sich seit einer Stunde der Himmel umzogen, und es war so trübe geworden, dass ich nicht die Hälfte von der herrlichsten Aussicht, die ich hier hatte, genießen konnte.

Oben auf dem Hügel ist eine Allee von Kastanienbäumen, unter welchen hin und wieder Kanapees zum Sitzen stehen. Hinter den Alleen ist eine Reihe sehr schöngebauter Landhäuser, die gewiß, wegen der reinen Luft, die man hier einatmet, einen gesunden Wohnsitz gewähren müssen.

Der Abhang des Hügels bis an die Themse hinunter ist grün bewachsen. Die Themse macht unten beinahe einen halben Cirkel, in welchem sie waldigte Ebnen, mit Wiesen und Lustschlössern, wie in ihren Busen einschließt. An der einen Seite sieht man die Stadt mit ihrer hohen Brücke, und an der andern liegt ein dunkler Wald.

In der Ferne schimmerten aus dem Grunde der Wiesen und Wälder allenthalben kleine Dörfer hervor, so dass diese Aussicht, ohngeachtet des trüben Wetters, noch immer eine der schönsten war, die ich in meinem Leben gehabt habe.

Aber wie kömmt es? gestern Abend waren meine Empfindungen weit lebhafter, und der Eindruck weit stärker und romantischer, da ich aus dem Tale diesen Hügel hinauf blickte, und mir da allerlei herrliches dachte, als heute Morgen, da ich von dem Hügel selbst das Tal überschaute, und nun wußte, was da war.

Jetzt habe ich mein Frühstück verzehrt, ergreife meinen Stab, und werde nun zu Fuße meine Reise antreten. Aus Windsor sollen Sie mehr von mir hören!