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Prediger

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Zügellose Pfaffen

Literarische Kaffeehäuser

Freimaurer

Gestern habe ich bei dem Herrn Pastor Schrader, einem Schwiegersohne des Herrn Professor Forster in Halle gespeist. Er steht als Prediger an der St. James Kapelle, nebst einem Kollegen und einem Lektor, der auch ordiniert ist, aber jährlich nur 50 Pfund Einkünfte hat. Herr Pastor Schrader gibt zugleich den jungen Prinzen und Prinzessinnen von der Königlichen Familie Religionsunterricht. Bei ihm sprach ich auch die beiden Besatzungsprediger, Herrn Lindemann und Herrn Kritter, welche mit den Hannövrischen Truppen nach Minorka gegangen, und jetzt mit der Besatzung wieder zurückgekehrt waren. Sie sind aller Gefahr mit ausgesetzt gewesen. Auch die deutschen Prediger, so wie alle in öffentlichen Bedienungen stehenden Personen in England, müssen von ihren Besoldungen eine gewisse sehr beträchtliche Taxe bezahlen.

Die Englischen Geistlichen, besonders in London zeichnen sich durch eine sehr freie und zügellose Lebensart aus. Seit meiner Anwesenheit hat sich einer in Hidepark duelliert, und seinen Gegner erschossen. Er ward von der Jury oder den zwölf Geschwornen gerichtet, und sie erklärten ihn für guilty of Manslaughter, oder des unvorsätzlichen Todschlages schuldig, worauf er mit einem kalten Eisen in die Hand gebrandmarkt wurde, welches Recht der Adel und die Geistlichkeit vor andern Mördern voraus hat.

Gestern vor acht Tagen, da ich für Herrn Wendeborn gepredigt hatte, kamen wir vor einer Englischen Kirche vorbei, worin noch gepredigt wurde, wir gingen hinein, und es sprach ein junger Mensch, ob er gleich ablas, mit ziemlich guter Deklamation, die freilich bei den Engländern immer eintönig bleibt. Wir gingen darauf der Kirche gegenüber in ein Kaffeehaus, wo wir zu Mittag aßen. Es währte nicht lange, so kam auch der Geistliche, den wir hatten predigen hören. Er forderte sich Feder und Dinte, schrieb in großer Eile einige Blätter voll, die er wie ein Koncept in die Tasche steckte, darauf ließ er sich zu essen geben, und ging unmittelbar darauf wieder in dieselbe Kirche. Wir folgten ihm, und er trat auf die Kanzel, nahm sein Geschriebnes aus der Tasche, und hielt wahrscheinlich die Predigt, die er in unsrer Gegenwart im Kaffeehause verfertigt hatte.

In diesen Kaffeehäusern herrscht aber auch eine große Stille, ein jeder redet leise mit seinem Nachbar, die meisten lesen Zeitungen und keiner stört den andern. Das Zimmer ist gleich draußen auf dem Flur, und man tritt in dasselbe, so wie man in die Haustüre tritt, die Sitze sind durch bretterne Verschläge abgeteilt. Viele Briefe und Aufsätze werden hier geschrieben, auch solche, die man in den Zeitungen gedruckt liest, sind gemeiniglich aus irgend einem Kaffeehause datiert. Es läßt sich also schon denken, daß jemand hier eine Predigt verfertigen könne, die er im Begriff ist, sogleich in einer naheliegenden Kirche zu halten.

Noch eine weite Tour habe ich ziemlich oft gemacht, über Hannoversquare, und Kavendischsquare, nach Bullstroatstreet, bei Paddington, wo der Dänische Gesandte wohnt, und wo ich den Dänischen Legationssekretär Herrn Schönborn zu verschiednenmalen besucht habe. Er ist aus einer Probe einer Übersetzung vom Pindar und auch sonst als Philosoph und schöner Geist in Deutschland bekannt. Mit ihm habe ich sehr angenehme Stunden zugebracht. Empyrische Psychologie und die tiefste Philosophie der Sprache ist sein Lieblingsstudium, und er hat darüber vortreffliche Sachen in seinem Pulte ausgearbeitet liegen, von denen zu wünschen wäre, daß er sie der Welt mitteilen möchte. Auch ist die erhabne Poesie, besonders die Ode, sein Fach: Überdem besitzt er eine ausgebreitete Gelehrsamkeit und Belesenheit in den Schriften der Griechen und Römer. Und alles, was er treibt, treibt er gewiß aus Liebe zur Sache und nicht aus Ruhmsucht. Man möchte sagen, es sei Schade, daß ein so vortrefflicher Mann sich so in sich zurückzieht, wenn sich nicht die vortrefflichsten Menschen gemeiniglich in sich zurückzuziehen pflegten. Was ihn aber über dies alles schätzbar macht, ist seine reine offne Seele, und sein vortrefflicher Charakter, der ihm die Liebe und das Zutrauen aller seiner Freunde erworben hat. Er ist schon als Gesandtschaftssekretär in Algier gewesen, und lebt jetzt hier, wenn seine Amtsgeschäfte ihn nicht binden, ganz sich selber und den Wissenschaften. So angenehm mir diese Bekanntschaft ist, so schwer wird es mir werden, den freundschaftlichen und lehrreichen Umgang dieses Mannes sobald wieder zu verlieren.

Ich habe denn auch den hiesigen großen Freimäurersaal in Free Masons Tavern gesehen. Dieser Saal ist von einer ganz erstaunlichen Höhe, und Breite, beinahe wie eine Kirche. Das Orchester für die Musikanten ist in der Höhe angebracht, und man hat von demselben eine Übersicht des ganzen Saals, der sich sehr majestätisch ausnimmt. Seine Erbauung hat große Summen gekostet, wozu auch die Logen in Deutschland mit beigetragen haben. Die Freimäurerei wird hier übrigens nicht viel mehr geachtet, weil die meisten Zusammenkünfte einmal zu Trinkgesellschaften herabgewürdigt sind, ob es gleichwohl noch Logen geben mag, die sich zu einem edlern und wesentlichern Zweck vereinigen. Der Herzog von Kumberland ist jetzt Landesgroßmeister.