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Schulsystem

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Arme Privatschulen - reich an Wissen

Moderne Pägdagogik – nichts von Summer Hill

Beten auf Französisch

Englische Sitten und Erziehung*.

Nun noch etwas die Pädagogik betreffend. Ich habe die Einrichtung einer hiesigen sogenannten Akademie gesehen, deren es in London eine ungeheure Menge gibt, die aber im Grunde weiter nichts, als kleine von Privatleuten errichtete Pensionsanstalten für Kinder und junge Leute sind.

Der eine von den beiden Engländern, die meine Reisegefährten waren, machte mich dem Herrn Green bekannt, der in der Gegend von Paddington wohnet, und ein Erziehungsinstitut für zwölf junge Leute hat, deren Anzahl er, so wie bei uns Herr Kampe, nicht überschreitet, welches dort auch mehrere tun.

Beim Eintritt erblickte ich über der Tür des Hauses ein großes Schild mit der Inschrift: Mr. Greens Academy. Herr Green nahm mich als einen Fremden sehr freundschaftlich auf, und zeigte mir seine Lehrstube, welche völlig so wie die Klassen in unsern öffentlichen Schulen, mit Bänken und einem Katheder versehen war.

Der Unterlehrer des Herrn Green war ein junger Geistlicher der die Knaben vom Katheder in der lateinischen und griechischen Sprache unterrichtete. Ein solcher Unterlehrer heißt ein Usher, und ist gemeiniglich ein geplagtes Geschöpf, gerade so, wie er einmal im Landprediger von Wakefield beschrieben wird. Indem wir in die Klasse traten, ließ er gerade die Knaben ganz nach dem alten Schlendrian lateinisch deklinieren, und es klingt einem sehr sonderbar, wenn man z. B. anstatt viri, nach der Englischen Aussprache, weirei, des Mannes, weiro, dem Manne, u. s. w. deklinieren hört. Eben so ging es nachher auch mit dem Griechischen.

Den Mittag lud uns Herr Green zu Tische, wo ich seine Frau, ein sehr artiges junges Weib, kennen lernte, die mit den Kindern auf eine solche Art umging, dass sie unter den Erziehern an diesem kleinen Institut vielleicht das meiste leistete. Die Kinder bekamen bloß Wasser zu trinken. Für jeden Pensionär erhält Herr Green nicht mehr, als jährlich dreißig Pfund Sterling, beklagte sich aber auch darüber, dass dieses zu wenig sei: vierzig bis funfzig Pfund soll beinahe das Höchste sein, was bezahlt wird.

Ich erzählte ihm von unsern Fortschritten in der Erziehungskunst, und sprach mit ihm von der Würde des Erziehers, und dergleichen: er hörte sehr aufmerksam zu, schien aber selbst wenig an dergleichen gedacht zu haben. Vor und nach Tische ward das Vaterunser französisch gebetet, welches an mehrern Orten geschiehet, damit man, wie es scheint, auch diese Gelegenheit zu einer Übung in der französischen Sprache nutzen, und also einen doppelten Endzweck erreichen möge. Ich sagte ihm nachher meine Meinung über diese Art zu beten, welche er mir doch nicht übel zu nehmen schien.

Als gegessen war, hatten die Knaben auf einem sehr engen Hofe, Freiheit zu spielen, welches denn in den meisten Akademien in der Stadt London das non plus ultra ihres Spielraums in den Erholungsstunden ist. Herr Green aber hat auch einen Garten am Ende der Stadt, wohin er sie zuweilen spazieren führt.

Des Nachmittags gab der Master Herr Green selber, im Schreiben, Rechnen und Französischen Unterricht, welches die Kinder bei ihm recht gut lernten; besonders Schreiben, worin die Englische Jugend die unsrige gewiß weit übertrifft, vielleicht, weil sie nur einerlei Buchstaben zu lernen brauchen. Weil die Hundstagsferien bald angehen sollten, wo die Kinder aus den Akademien allemal vier Wochen zu Hause gehen, so mußte jeder mit der äußersten Sorgfalt eine Vorschrift nachschreiben, um diese seinen Eltern zu zeigen, weil darauf am meisten gesehen wird. Alle Regeln des Syntax wußten die Knaben auswendig.

Sonst heißen alle diese Akademien eigentlich nur Boardingschools, (Schulen, worin man zugleich speiset) einige haben auch diesen Namen noch beibehalten, welche oft mehr als die sogenannten Akademien zu bedeuten haben. Größtenteils sind Geistliche mit einem geringen Gehalt die Unternehmer solcher Erziehungsinstitute, sowohl in der Stadt als auf dem Lande, und es können sich auch fremde erwachsene Personen darin aufnehmen lassen, um die Sprache zu lernen. Herr Green nahm für Wohnung, Tisch und Unterricht im Englischen, wöchentlich zwei Guineen. Wer sich aber in der Englischen Sprache ganz vollkommen machen will, der tut am besten, wenn er weit ins Land geht und sich dort bei einem Geistlichen, der Pensionärs hält, in die Kost verdingt, wo er weiter nichts als Englisch reden hört, und es von jung und alt bei jeder Gelegenheit lernen kann.

Es gibt in England, außer den beiden Universitäten, nur wenige große Schulen und Gymnasien. So sind in London bloß die St. Pauls- und Westminsterschule. Die übrigen sind fast lauter Privatanstalten, worin eine Art von Familienerziehung herrscht, die freilich wohl die natürlichste ist, wenn sie nur so wäre wie sie sein sollte. Einige sogenannte Grammarschools oder lateinische Schulen gibt es demohngeachtet hin und wieder, wo der Lehrer außer dem Schulgelde noch eine fixe Besoldung erhält.

Man sieht immer auf den Straßen in London kleine und große Knaben mit langen blauen Röcken, die wie ein Talar bis auf die Füße heruntergehen, und mit einem weißen Krägelchen, wie die Prediger tragen, herumlaufen. Diese sind aus einer Armenanstalt, die von den blauen Röcken den Namen führt. Das Singen der Chorschüler auf den Straßen, wie es gewöhnlich bei uns geschieht, ist hier gar nicht gebräuchlich. Es ist auch wegen des beständigen Gehens, Reitens und Fahrens auf den Straßen nicht wohl tunlich. Die Eltern, auch von geringem Stande, scheinen hier gegen ihre Kinder sehr gütig und nachsichtsvoll zu sein, und nicht so sehr, wie bei uns der Pöbel, mit Schlägen und Scheltworten ihren Geist zu unterdrücken. Die Kinder müssen schon früh sich selber schätzen lernen, statt dass bei uns die Eltern vom Pöbelstande ihre Kinder wieder zu eben der Sklaverei erziehen, worunter sie selber seufzen.

Ohngeachtet aller zunehmenden Modesucht bleibt man hier denn doch der Natur noch treu bis in gewisse Jahre. Welch ein Kontrast, wenn ich mir unsre sechsjährigen, blassen, verzärtelten Berlinerknaben mit einem großen Haarbeutel und dem ganzen Staate eines Erwachsenen, wohl gar in einem verbrämten Kleide denke, und dagegen hier lauter blühende, schlanke, rüstige Knaben, mit offner Brust und abgeschnittnem Haar erblicken das sich von selber in natürliche Locken rollt. Hier ist es etwas sehr seltnes bei einem Knaben oder jungen Menschen eine blasse Gesichtsfarbe, entstellte Züge, und schlechtproportionierte Gliedmaßen anzutreffen. Bei uns ist wirklich das Gegenteil etwas seltnes, sonst würden die schönen Menschen nicht so auffallen.

Diese freie natürliche Tracht dauert doch bis ins achtzehnte auch wohl ins zwanzigste Jahr. Dann hört sie freilich bei den feinern Ständen auf, und dauert nur noch bei dem Pöbel fort. Dann fängt man an sich frisieren zu lassen, die Haare mit Brenneisen zu kräuseln, einen dicken Zopf zu tragen, und den halben Rücken mit Puder zu bestreuen. Unter den Händen meines Englischen Friseurs habe ich länger als unter den Händen eines Deutschen aushalten, und unter seinem heißen Eisen schwitzen müssen, womit er mir die Haare von unten bis oben kräuselte, damit ich mich unter Engländern (o Zeiten!) producieren könnte. Hierbei bemerke ich, dass die Englischen Friseur zugleich Barbier sind, welches sie denn herzlich schlecht verrichten, ob ich gleich diese Beschäftigung ihnen für anständiger, als den Wundärzten halte, die sich bei uns damit abgeben. Es ist unglaublich, wie die Engländer in den jetzigen Zeiten französieren; was noch fehlet sind die Haarbeutel und die Degen, womit ich wenigstens niemanden auf öffentlicher Straße habe gehen sehen, aber demohngeachtet fährt man damit zur Cour.