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Königsgräber

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Grabmale der Monarchen

Die zwölf Kapellen der Abtei

Die Sage von Eduard I.

Hoch auf dem Piedestal, in Rednerstellung, steht Lord Chatham; viele Tugenden weinen zu seinen Füßen und lassen es unentschieden, ob seine Rede sie rührt, oder ob er Dinge sagt, über welche die Tugend weinen muß.

Auch die traurigen Manen des unglücklichen Majors Andree, der im amerikanischen Kriege vom erbitterten Feinde als Spion gehängt ward, finden hier ein ehrenvolles, seinem Andenken geweihtes Monument.

Zwölf an die Kirche sich anschließende Kapellen enthalten die Asche der Könige und einiger sehr vornehmer Familien. Seit Elisabeths Zeiten ward keinem Könige ein Monument hier errichtet, obgleich alle hier begraben liegen.

Gern betrachteten wir jene alten Denkmäler; fast alle sind große, viereckige Sarkophage, auf welchen die Statue des Verstorbenen in völliger Staatskleidung ausgestreckt daliegt, mit gefalteten Händen, ruhig wie im Schlummer. Keine Zerrbilder fanden wir wie in Paris aux petits Augustins, wo Franz der Erste, Maria von Medici und Karl der Neunte in den gräßlichsten Verzerrungen des Sterbens, mit wild zerstreutem Haare, fast nackt, in entsetzlichen Konvulsionen auf ihren Gräbern abgebildet liegen. Gerührt standen wir hier am Grabe der Maria Stuart. Man hat sie unweit ihrer Todfeindin und Mörderin gebettet; das Gesicht ihrer Statue war durch die Zeit fast unkenntlich geworden.

Die älteste der zwölf Kapellen enthält das Grab Eduards des Bekenners (72); es war mit Mosaik von farbigen Steinen geziert, welche leider größtenteils von ungezogenen Altertumsfreunden ausgebrochen und mitgenommen wurden.

Eduard der Erste (73) ruht ebenfalls hier; neben ihm seine Gemahlin, Eleonore von Kastilien, dieses Muster ehelicher Lieber und Treue bis in den Tod. Als ihr Gemahl noch Kronprinz war, zog auch er 1274 zum frommen Kriege ins gelobte Land. Eleonore begleitete ihn, achtete nicht der weiten, gefahrvollen Reise, wollte lieber alles Ungemach dulden, als von dem so hoch Geliebten entfernt leben. Gestärkt durch ihren Anblick, angefeuert durch ihren Mut, richtete er siegend unter den Sarazenen bald große Verwüstungen an. Die Ungläubigen rächten sich aber fürchterlich und tückisch. Sie sandten Meuchelmörder gegen ihn aus, die ihn mit einem tödlich vergifteten Pfeile am Arme verletzten. Die Mörder fielen zwar unter den rächenden Schwertern seiner Getreuen, aber Eduard ward bewußtlos in sein Zelt getragen. Die Ärzte gaben ihn ohne Rettung verloren, wenn nicht einer seiner Diener das Gift aus der Wunde zu saugen und das Leben des Gebieters mit Aufopferung des eigenen Lebens zu erhalten sich entschlösse. Starr und stumm standen all um das Sterbebette ihres künftigen Königs; sie hatten oft dem Tode in seiner furchtbarsten Gestalt getrotzt, dennoch konnte keiner zu diesem Opfer sich entschließen. Da eilte Eleonore herbei; niemand durfte es wagen, sie zu hindern; sie warf sich auf den verwundeten Arm, und bald schlug der Gerettete die Augen wieder auf. Mit welchem Gefühl er auf diese Weise sich dem Leben wiedergeschenkt sah, wie sie, fürchtend ihn auf´s neue zu vergiften, es nicht wagte, ihn zum letzten Mal an die treue Brust zu drücken, und nur von ferne, zitternd vor Freude, vor ihm stand, dafür haben wir keine Worte. Konnte das Gift diesem engelreinen Wesen nicht schaden? War es vielleicht nur bei einer äußeren Verletzung tödlich? Dies wissen wir nicht; genug, Eleonore lebte noch mehrere Jahre ein glückliches, schönes Leben an der Seite ihres Gatten, teilte bald darauf mit ihm den Thron und fand erst neunzehn Jahre später hier ihre letzte Ruhestätte.

So erzählt die Sage, und zu schön, um ihre Wahrheit zu bezweifeln, obschon einige berühmte Geschichtsschreiber diese rührende Begebenheit nicht erwähnen.

Auch auf diesem Sarkophage ist die Gestalt der darunter Schlummernden abgebildet. Die Kunst war damals noch in der Kindheit, aber diesmal führte ihr Genius den Meißel des Künstlers, ein schützender Engel wachte über das Bild und barg es vor der zerstörenden Zeit. Eleonorens Gesicht strahlt noch von hoher Schönheit und wunderbarer Güte und Milde auf dieser ihre Züge der Nachwelt aufbewahrenden, wohlerhaltenen Abbildung.

[Fußnote: (72)Eduard der Bekenner englischer König (1042-66)]

[Fußnote (73):Eduard der Erste (1272-1307 König von England); kehrte 1274 aus Palästina zurück, nachdem er vier Jahre dort gekämpft hatte.]