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Am Nordufer

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Am Nordufer

Das Postamt

— General Post Office: O´Connell Street (Plan B4). Der klassizistische Kasten wurde 1818 nach den Plänen Francis Johnsons, des berühmtesten Architekten der georgianischen Zeit, errichtet. Ostern 1916 schlugen die Rebellen des Aufstands ihr Hauptquartier darin auf. Vor Tausenden von Anhängern der Irish Volunteers riefen der Dichter Padraig Pearse und der Gewerkschaftler James Connolly die unabhängige Republik Irland aus. Widrige Umstände und sich widersprechende Befehle führten dazu, dass die Widerstandsbewegung auf Dublin beschränkt blieb. Eine ganze Woche verschanzten sich die Aufständischen vor dem Bombardement der britischen Artillerie, bevor sie sich doch ergeben mußten. Die Geschütze, mit denen die Engländer das Viertel unter Beschuß nahmen, haben unzählige unschuldige Opfer und zerstörte Häuser gefordert. General Maxwell, Oberbefehlshaber der britischen Truppen, spekulierte darauf, dass die Dubliner ihre Empörung und Wut über den Kriegszustand gegen die nationalistisch gesonnenen Rebellen richten würden, welche die englische Reaktion schließlich herausgefordert hatten. Nachdem die Besetzer des Postamts die Waffen gestreckt hatten, wurden ihre Rädelsführer exekutiert, mit Ausnahme de Valeras, der amerikanischer Staatsbürger war. Keiner konnte damals ahnen, dass er später mal Präsident der Republik werden würde. Als Frau entging Constance Markievicz ebenfalls der Hinrichtung. Dabei war sie durchaus dazu bereit, wie folgende Worte beweisen, die sie ihren Richtern verächtlich entgegenschleuderte: »Ich hatte gehofft, ihr hättet wenigstens soviel Schneid, mich wie die anderen zu erschießen.« Pearse soll dagegen in seiner Todesstunde geäußert haben: »Nun wird Irland wenigstens um einen schlechten Dichter ärmer.« Wie heißt´s so treffend: Humor ist, wenn man trotzdem lacht!

Die Öffentlichkeit, die der Unabhängigkeitsidee bis 1916 nur wenig Wohlwollen entgegengebracht hatte, wurde durch die Hinrichtung der irischen Patrioten wachgerüttelt, woraufhin viele sich auf deren Seite schlugen. In England fand die Revolte nur wenig Nachhall, zumal Labour Party und Gewerkschaften sie auf das Schärfste verurteilten. Einzig und allein der Schriftsteller G.B. Shaw war mutig genug, in den Daily News nachdrücklich für die Rettung der zum Tode Verurteilten zu plädieren. In Irland zumindest muß nach dem Ereignis doch ein gewisser Bewußtseinswandel eingetreten sein, denn bei den Wahlen zwei Jahre später gewann die nationalistische Partei über drei Viertel der Mandate.

Nachdem das Postamt 1929 rundherum erneuert worden war, diente es wiederum häufig als Schauplatz für politische Kundgebungen der Nationalisten. Gedenktafel und -säule erinnern an das historische Ereignis von 1916.

— O´Connell Street: die Dubliner »Champs-Elysee« überrascht durch ihre für irische Verhältnisse eigentlich ungewöhnlichen Ausmaße. Die O´Connell Bridge, unmittelbar daran anschließend, zieht sich ebenfalls mehr in die Breite als in die Länge, was für eine Brücke auch nicht gerade die Regel ist. Erheblich fesselnder als die Schnellrestaurants und die schmucklosen, modernen Häuserfronten sind die Denkmäler zu Ehren prominenter Iren: da wäre zunächst Daniel O´Connell, der für das Recht der Katholiken auf Selbstbestimmung gekämpft hat, gefolgt von Smith O´Brien, dem Anführer des Widerstands der Young Irelanders 1848, während der Gewerkschaftsführer Jim Larkin, von dem der Ausspruch stammt: »Die Mächtigen sind nur solange mächtig, wie sie uns in die Knie zwingen. Also steht auf!«, anläßlich der Tausendjahrfeier einem Springbrunnen weichen mußte und kurzerhand ans Ende der O´Connell Street verfrachtet wurde. Ferner ist noch ein gewisser John Gray zu sichten, welcher der Stadt angeblich zu fließendem Wasser verholfen hat, sowie Father Matthew, den die Iren eigentlich eher hassen müßten, führte er doch sein Leben lang einen Feldzug gegen den Alkoholismus. Den Abschluß bildet die Parnell-Statue vor dem Rotunda Hospital mit ihrer vielsagenden Inschrift.

Schon Yeats spottete darüber, dass Irlands prüde Katholiken ausgerechnet drei unehelich geborene Männer zu ihren Nationalhelden erkoren: neben O´Connell und Parnell spielen wir auf Lord Nelson an. Interessiert jemanden das Schicksal der über vierzig Meter hohen Gedenksäule, die sich hier vormals auf einem wuchtigen Sockel emporreckte? Bereits seit ihrer Aufstellung zwischen der Henry und der Earl Street im Jahre 1808 meuterten Iren massenhaft gegen die Gedenkstätte zu Ehren des siegreichen Admirals von Trafalgar. Klar, dass die irischen Nationalisten sich nicht darüber freuten, einen Repräsentanten britischer Stärke vor die Nase gesetzt zu bekommen. Später bedachten auch eigentlich ganz unpolitische Leute die Säule mit Verwünschungen: nachdem nämlich immer mehr Autos in Dublin umherkurvten, erwies sie sich ganz einfach als lästiges Verkehrshindernis. Schließlich machte die IRA kurzen Prozeß: am 8. März 1966, genau um 1.32h morgens, sprengte sie die Statue aus Anlaß des fünfzigsten Jahrestags des Osteraufstands von 1916. Die Öffentlichkeit staunte nicht schlecht über die Präzisionsarbeit, denn nichts war in der Nachbarschaft bei der nächtlichen Aktion zu Bruch gegangen. Den übriggebliebenen Stumpf des armen Nelson, etwa zwei Drittel der ursprünglichen Statue, mußte die britische Armee beseitigen. Aber bei ihrem Sprengversuch unterlief ihnen das Mißgeschick, das die IRA so erfolgreich vermieden hatte: sämtliche Fensterscheiben der umliegenden Häuser barsten. Und als sich der Rauch verzogen hatte, stand da immer noch ein Großteil von Nelsons Überbleibseln und mußte mit dem Pickel abgetragen werden. Der Spott der Dubliner war den Pechvögeln natürlich gewiß, und noch lange sorgte das Ereignis für Heiterkeitsausbrüche. Ein paar pfiffige Iren verarbeiteten die Anekdote zu einem Lied, das prompt zum Spitzenreiter der Hitparade wurde. Die Überreste der Nelsonstatue beherbergt übrigens das Civic Museum.