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Festivals, Sessions

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FESTIVALS, FLEADHS UND SEISIUN

Eine Wissenschaft für sich

Das musikalische Leben beschränkt sich bei weitem nicht nur auf die Singing Pubs, in denen in der Regel unter Mitwirkung des Publikums musiziert wird. Ein für die Iren bedeutendes Ereignis sind die Fleadhs (sprich »flahs«), Wettbewerbe für die traditionellen Instrumente und Musiksparten. Wird in einer Stadt ein solcher Wettkampf ausgetragen, so schließen auch die Pubs erst spät nachts. Sämtliche Bewohner lassen sich dann von den Melodien und Rhythmen mitreißen, die Stimmung ist aufgekratzt. In den Kneipen werden überall improvisierte Musikabende, sogenannte Seisiun (sprich »Saischun«) gegeben. Sich dafür frühzeitig einen Sitzplatz suchen, denn wer später eintrudelt, riskiert, nicht mal den Fuß über die Schwelle setzen zu können.

Das Hauptereignis, auf das sämtliche Musiker Irlands hinfiebern, stellt jedoch das All Ireland Fleadh dar, die Endausscheidung zwischen den bei den regionalen Fleadhs ermittelten Solisten und Ensembles. Normalerweise steigt es jedes Jahr in der vorletzten Augustwoche, und zwar jeweils in einer anderen Stadt. Einige Orte sind schon berühmt dafür, dem Fleadh unter Garantie zu einem durchschlagenden Erfolg zu verhelfen, u.a. Ennis, Buncrana und Listowel. Dass sämtliche Hotels und Pensionen zu diesem Termin bereits lange Zeit im Voraus ausgebucht sind, versteht sich von selbst. Also sich den Schlafsack und das Zelt unter den Arm klemmen, um weitgehend unabhängig zu sein. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, während des Wettbewerbs überhaupt kein Auge zuzutun. Man lasse es sich nicht nehmen, sich nach dem Ende des eigentlichen Wettbewerbs in eines der vielen Pubs zu setzen, in denen die Gruppen bereitwillig weiterspielen. Im Improvisieren sind die Iren oft einsame Spitze, und häufig sind die Darbietungen spontaner und mitreißender als während der Konkurrenz. Die althergebrachten Musikinstrumente kommen zur Anwendung: etwa die Uilleann Pipe, diese Art Dudelsack, die im Sitzen auf den Knieen aufgestellt und vermittelst Zusammenpressen der Ellenbogen betrieben wird, statt dass man hineinbläst wie in ihren schottischen Bruder. Oder der Bodhran, die große Trommel mit dem Fell aus einem gespannten Schafleder, die man mit einem polierten Hartholzschlegel bearbeitet. Oder natürlich Fiedel und Tin Whistle, die irische Flöte. Manchmal werden auch die Instrumente improvisiert. Einige Musiker greifen beispielsweise in Ermangelung der Schenkelknochen eines Schafes, die üblicherweise als Rhythmusinstrument dienen, zu Holzlöffeln und erzeugen damit das Klick-Klack, das die Stücke untermalt. Am Erstaunlichsten sind wohl die Wettbewerbe im Whistling und im Lilting (rasche, federnde Tonkaskaden), bei welchen Flötenspieler und Sänger traditionelle Lieder zum Besten geben. Von einem Amerikaner irischer Herkunft wird erzählt, er sei aus den USA nach Listowel gereist, habe dort eine Melodie gepfiffen und sei anschließend wieder über den Großen Teich davongeflogen.

Für die Improvisation gelten bestimmte ungeschriebene Gesetze, denn auf den Zufall allein verläßt man sich nicht. Es gibt eine Regel, aus welchen Teilen ein Lied zu bestehen hat und in welcher Reihenfolge diese Teile erklingen müssen – und nichts ist den Iren ärgerlicher, als einen Touristen, und sei er auch noch so gewieft, anhören zu müssen, der sich in akrobatischen Improvisationen bis zum Ende des Stückes verliert. Außerdem sollte man bedenken, dass man ein Lied, das die Menge nicht kennt und nicht mitspielen kann, recht kurz abhandeln sollte, will man sich nicht unbeliebt machen. Trotz dieser Risiken wird in einem irischen Pub der Gast zuerst gebeten, zu singen oder zu spielen, und es gehört einfach zum guten Ton, das auch zu tun – nachdem man sich gehörig lange geziert hat!

Übrigens: die echten Musikabende finden im Winter statt. Im Sommer werden in den von Touristen frequentierten Orten nach Vorankündigung zwei oder drei Musiker in wechselnder Besetzung engagiert, die dann eine Art harten Kern bilden, um den herum sich spontane Darbietungen unbezahlter Musiker ankoppeln können.

Ein weiteres Genre musikalischer Veranstaltungen ist das Festival, das sich besonders bei jungen Leuten großer Beliebtheit erfreut. Natürlich steht in der Regel traditioneller Folk auf dem Programm, aber die Iren sind auch anderen Musiksparten wie Blues oder Jazz keineswegs abgeneigt. Solche Festivals geraten fast immer zu Mini-Woodstock-Konzerten. Sie werden meist auf dem Lande unter freiem Himmel oder in Festzelten abgehalten und dauern in der Regel drei Tage. Die Jazzsession Nummero Eins findet Anfang September in Cork statt, das bekannteste Rockkonzert dagegen im Sommer in Castlebar, während man die beste Folkmusik im Juli in Miltown Malbay zu hören bekommt.

Irland bietet also reichlich Gelegenheit für Unterhaltung und zwischenmenschliche Begegnungen, bei denen Musik eine überragende Rolle spielt. Sie ist allgegenwärtig und wird noch lange in den Urlaubserinnerungen nachklingen.

Nähere Angaben hierzu erhält man beim Dachverband der irischen Folklorevereine:

— Comhaltas Ceoltoiri Eireann Culturlann nah Eireann, 32 Belgrave Square, Monkstown, Co. Dublin; T. 01-80 02 95 u. 80 25 80.