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Home Rule

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Kampf um »Home Rule« und Agrarreform

Schmutzige Intrigen

Als der liberale Premierminister Gladstone 1868 in London an die Macht gelangte, war eine seiner ersten Amtshandlungen die vollständige Anerkennung der Katholiken und die Zusicherung uneingeschränkter Glaubensfreiheit. Damit beschnitt Gladstone ganz erheblich die Macht der anglikanischen Kirche, zumal er die Steuerpflicht für die Katholiken aufhob. Des weiteren setzte er die Verabschiedung eines Gesetzes durch, das kleine Pächter und Kleinstgrundbesitzer künftig vor der Vertreibung von ihrem Grund und Boden schützen sollte. Kurz darauf entstand 1870 in Irland die Home Rule Party, deren oberstes Ziel die Unabhängigkeit des Landes war.

Viele Iren glaubten damals, dass die Anerkennung einer unabhängigen irischen Provinz innerhalb des Vereinigten Königreiches der erste Schritt zur Gewinnung weiterer politischer Rechte und Freiheiten sein müsse. Bei den Wahlen von 1874 gewann die Partei über die Hälfte der irischen Mandate im britischen Parlament. Trotz dieses Sieges war London weiterhin zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Die irischen Parlamentarier sahen keinen anderen Ausweg als den Boykott der Parlamentsdebatten, um ihren Forderungen Geltung zu verschaffen. Da die aktive Störung von Parlamentsreden verboten war, hatten sich die »Home Rulers« darauf verständigt, seitenlang aus der Bibel zu zitieren, wenn einem von ihnen das Rederecht erteilt wurde. Ein junger protestantischer Anwalt namens Charles Stewart Parnell entwickelte darin eine unglaubliche Meisterschaft.

Die Home Rule Party konnte bei allen folgenden Wahlen beachtliche Erfolge für sich verbuchen, mit Ausnahme von den königstreuen protestantischen Bastionen im Gebiet von Ulster. Für konservative Briten war Parnell der Feind, den es zu beseitigen galt und sie zettelten daher eine Verleumdungskampagne an, die sein Privatleben schonungslos in den Schmutz zog. Parnell starb krank und entehrt im Jahre 1891. Seine unermüdliche politische Tätigkeit zugunsten der irischen Unabhängigkeit trug zwei Jahre später doch noch ihre Früchte. Das britische Unterhaus stimmte erstmals einem Gesetzesentwurf der »Home Rule« zu. Allerdings brachte das Oberhaus seine Verabschiedung dann zu Fall.

Da jedes Dorf in Irland seinen Parnell Square oder seine Parnell Street besitzt, halten wir es für angebracht, doch ein paar Worte über seine Biographie zu verlieren. Obwohl der Sohn eines angesehenen aristokratischen Großgrundbesitzers seine Erziehung und Ausbildung in Cambridge, der Hochburg englischer Gelehrsamkeit, erhielt, fühlte er sich in seinem Herzen als Ire. Wahrscheinlich floß in seinen Adern ein wenig Blut seiner revolutionären Vorfahren, von denen einige sich geweigert hatten, für die Vereinigung Irlands mit England zu stimmen, und andere den Kampf O´Connells unterstützt hatten. Seine Mutter war die Tochter eines amerikanischen Admirals, der 1812 gegen die britische Flotte gefochten hatte. Da er ein äußerst einnehmendes Wesen hatte, ein glänzender Redner war und sich auf die Seite der Armen schlug, erfreute sich Parnell beim irischen Volk hoher Beliebtheit. Nach O´Connell galt er als der neue »ungekrönte irische König«. Schließlich gab Gladstone dem immer lauter werdenden Meutern der Landbevölkerung nach und leitete die Umverteilung des Bodens ein.

Zur gleichen Zeit, als die Home Rule Party immer mehr an Bedeutung gewann, bildete sich unter den königstreuen Protestanten Ulsters eine Union Party heraus, die der »Home Rule« den Kampf ansagte. Was die Bodenverteilung anbelangte, kam die britische Regierung nicht mehr umhin, den geforderten Reformen zuzustimmen. Anno 1903 wurden weite Teile des irischen Grund und Bodens wieder an die Kleinbauern zurückgegeben. Gab es 1878 unter den Iren lediglich fünf Prozent Grundbesitzer, so schwoll diese Quote bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf siebzig Prozent an.