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Ciudad Guayana bis Santa Elena de Uairén

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Ciudad Guayana bis Santa Elena de Uairén

In Diktaturzeiten gefürchtet - Gefängnis Las Colonias

Farbenfrohes Karnevalstreiben in El Callao

Die 640 km lange Schnellstraße von Ciudad Guayana nach Santa Elena de Uairén wurde erst 1989 fertiggestellt, weshalb noch keine großen Schlaglöcher zu beklagen sind. Das Tankstellennetz ist inzwischen zufriedenstellend ausgebaut. Leider verkehren tagsüber nur wenige Busse auf dieser Strecke. Busreisende haben das Glück, dass die touristischen Höhepunkte unmittelbar am Straßenrand liegen, so dass man morgens aussteigen und abends wieder weiterfahren kann. Die Tafelberge sind allerdings nur am Horizont zu erkennen. Wer sie aus der Nähe sehen möchte, benötigt ein Geländefahrzeug und muß zusätzlich einen mehrtägigen Fußmarsch in Kauf nehmen. Kleine und erschwingliche Hotels, die keine besonderen Annehmlichkeiten bieten, sind in jeder größeren Ortschaft zu finden. An den Wasserfällen vermieten die Indianer Hängematten in Hütten.

Wer von Cuidad Guayana das Eisenerzminengebiet von El Pao ansteuert, 55 km südlich von San Félix, kommt in den Genuß eines kleinen Stückes Regenwald. Auch die Zechen lassen sich besichtigen. Der Eisenanteil soll noch höher sein als der im Cerro Bolívar. Schätzungsweise lagern dort rund 35 Millionen Tonnen.

30 km ostwärts die 1762 von Kapuzinermönchen gegründete Ortschaft Upata, ein sehenswerter Goldhandelsplatz. In der Kolonialzeit ließen die Minenbesitzer ihre mit Gold beladenen Maultiere nach Upata treiben. Händler kauften das Gold auf und schafften es auf Ochsenkarren nach San Félix, wo sie es auf Schiffen verluden. Das zweite Standbein der örtlichen Wirtschaft ist die Verarbeitung von Holz aus dem angrenzenden kleinen Regenwald, den man wieder aufforstet. Hinter Upata geht die Vegetation in weitläufiges Weideland über mit vereinzelten Waldinseln und Galeriewäldern an den Flüssen. In dieser fruchtbaren Umgebung betreibt die Bevölkerung Ackerbau und Viehzucht. Außerdem ist die Gegend als Reisanbaugebiet bekannt.

Naturfreunde sollten die Gelegenheit ergreifen, das Imataca MARNR Camp in Villa Lola, knapp 50 km südlich von Upata, zu besuchen. Das Camp liegt am Río Grande, der in der Regenzeit regelmäßig über seine Ufer tritt. Vogelliebhaber kommen ebenso auf ihre Kosten wie Affenfreunde. Allerdings wimmelt es dort von Schlangen, weshalb hohe Lederstiefel oder Trekkingschuhe mit Manschetten kein unnötiger Luxus sind.

Mit dem Mietwagen unterwegs

Wer mit dem Mietwagen unterwegs ist, sollte bei dem einst blühenden Goldgräberstädtchen Guasipati einen Abstecher zum Río Yuruari unternehmen und sich die Felszeichnungen anschauen.

Nach 18 km der nächstgrößere Ort namens El Callao, der gegen Ende des letzten Jahrhundert durch sagenhafte Goldfunde von sich reden machte. Franzosen entdeckten eine gewaltige Goldmine, die sie so reich werden ließ, dass sie alle erdenklichen Luxusgüter aus Frankreich einführten und auf Maultieren vom Orinoko bis hierher transportieren ließen. Nachdem die Mine erschöpft war, wandten sich die Schwarzen, die man als Arbeitskräfte aus Trinidad und dem Antillenraum angeworben hatte, dem Kleinbauerntum zu, oder sie arbeiteten als unabhängige Gold- und Diamantenschürfer. Auch heute sind die Goldgräber noch aktiv. Sie handeln mit der Ware aus Nachbardörfern, wo noch kleine Minen in Betrieb sind. Die Schwarzen behielten ihre Kultur und Sprache bei, so dass El Callao der einzige Ort in Venezuela ist, wo überwiegend Englisch gesprochen wird. Seit die Franzosen zu Anfang des Jahrhunderts den Ort verlassen haben, bilden die Schwarzen die Oberschicht und erkennen ihrerseits braune und weiße Minenarbeiter sowie Händler nicht an. Wer die Goldminen bei El Perú besichtigen möchte, bitte bei der Bergbaugesellschaft Minerven um Erlaubnis. Das farbenfrohe Karnevalstreiben, das die Schwarzen ausrichten, ist in ganz Venezuela bekannt. Während die Schwarzen auf ihre Calypsotrommeln einschlagen (in Trinidad bereits verschwunden), singen sie Lieder in englischer Sprache. Die bunten Kostüme, an denen die Frauen das ganze Jahr über genäht haben, tragen sie nun zur Schau. Ein weiteres Fest hält das Dorf zu Ehren der Jungfrau Carmen am 16. Juli ab.

Nach 40 km erreicht man Tumeremo, letzte Gelegenheit für Einkäufe zu einem reellen Preis, 260 km von Ciudad Guayana entfernt und ebenfalls für seinen Karneval bekannt. Der kleine Erholungspark Parador Turístico San Pedro mit seinem Stausee schließt sich nach nur 5 km in Richtung Bochinche an. Dort kann man seine Hängematte unter einem Dach aufspannen. Hier beginnen auch alle Entfernungsangaben für Fahrten in die Gran Sabana.

Mit einem Geländefahrzeug ist ein Abstecher von der Hauptstraße zur im Río Venamo gelegenen Insel Isla Anacoco möglich, etwa 80 km südöstlich von Tumeremo, in Grenznähe zum Nachbarland Guyana. Im Örtchen La Reforma sucht man sich dann jemanden, der einen zur Insel übersetzt.

Die Hauptstraße führt dagegen nach El Dorado, das ehemalige Goldgräberzentrum in der Provinz Guayana. Die Goldgräberstimmung ist allerdings weitgehend verflogen; die ca. 4.500 Einwohner große Siedlung wirkt eher verschlafen. In den Hotels werden Ausflügen zu einer noch betriebenen Goldmine oder eine Urwaldtour angeboten. Dem in Diktaturzeiten gefürchteten »Las Colonias«-Gefängnis auf der gegenüberliegenden Flußseite des Río Cuyun droht bereits der Verfall. Ein Ausbrechen war so gut wie unmöglich, weil hinter dem Gefängnis ein Sumpfgebiet liegt und davor Krokodile, Pirañas sowie Zitteraale im Fluß Wache hielten.

Kurz vor El Dorado, beim Kontrollposten des Militärs, ersetzen schon Kilometerbezeichnungen die sonst üblichen Ortsnamen; jedenfalls sind die Ortschaften von hier ab eher unter ihrer Entfernungskilometerangabe bekannt. Die Straße bis zum Kilometer 88 durchquert das Regenwaldgebiet »Reserva Forestal Imataca« mit vereinzelten Wellblechhüttensiedlungen der Gold und Diamantensucher. In den Siedlungen am Wegrand, San Miguel de Betania und Araimatepui, wohnen Indianer. Bei Kilometer 85 zweigt eine Piste nach Las Claritas ab, wo Weiße und Indianer nebeneinander hausen. Dort geht es noch wie im »Wilden Westen« zu. Die Goldgräber erkennt man an ihren hervorstehenden Wangenknochen und Zahnlücken, sichtbare Folgen einer schleichenden Quecksilbervergiftung. Während die großen Gesellschaften mit modernstem Gerät noch das letzte Gramm aus dem Boden holen, waschen die Goldgräber den Sand noch mit Pfannen aus. Findet einer einen Nugget (cochano), kommt es nicht selten zu Gewalttaten aus Mißgunst. Obwohl eine katholische Missionsstation um das Seelenheil der Goldgräber bemüht ist, werden diese ihr edles Metall bei den leichten Mädchen schneller wieder los, als sie es gefunden haben.