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Altertümlich?

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Vergangener Charme

Goldenes Zeitalter

Wie könnten wir gegen die Gewißheit ankämpfen? Die Bretonen seien altertümlich schon aus atavistischen Gründen. Schlimmer noch: per definitionem. »Lange Zeit außerhalb des Königreichs gelegen, erscheint die Bretagne, im Gegensatz zur Normandie, wie ein Pol institutioneller Altertümlichkeit« liest man noch 1977 in der Histoire économique et sociale de la France, die sich eine Seite weiter noch überbietet: »Im Fall der Bretagne ist alles recht komplex. Wegen eines Niveauunterschieds am Anfang. Lange Zeit abgeschlagen ist die Bretagne altertümlich; sie ist, mehr noch, in der Auflösung befindlich.«

Unser Fall wäre also hoffnungslos. Wir wären dazu verurteilt, die Apologie der primitiven Kräfte zu verfassen, indem wir mit Laurent Dispot erklärten, dass »die Altertümlichkeit das Modernste ist oder das der Modernismus eine völlig relative Konzeption ist und im Gegensatz steht zum absolut Modernen von Rimbaud.

In diesem Paradox steckt ein Körnchen Wahrheit. Und es kommt vor, dass ich denke, dass die Bretagne gegenüber dem Rest Europas einen »Vorsprung besitzt, genau wegen ihres Rückstands«. Hat nicht die Zeitschrift L´Expansion in einer Sonderausgabe von Ende 1985 die Bretagne als »erste Region Frankreichs eingestuft wegen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwanzig Jahre« Ohne ein Verfechter von modernen Reden zu sein, deren Credo die Börsennotierungen sind, sehe ich doch in dieser Ankündigung ein Zeichen der Veränderung. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte scheint die Bretagne in der Lage zu sein, sich von ihrer trügerischsten Versuchung zu befreien, nämlich der Sehnsucht.

Alles beginnt mit einer Reaktion aus Stolz, einer Revolte gegen das wie eine Verurteilung ausgestoßene Adjektiv »altertümlich« als Antwort haben sich die Bretonen eine mythische Vergangenheit aufgebaut, in der »Vorsprung und Überlegenheit auf ihrer Seite sein sollen. Eine Epoche und ein Zivilisationstypus sollen dieses goldene Zeitalter verkörpert haben: der Höhepunkt des herzöglichen bretonischen Staates im 15. Jahrhundert und jenes Wunder wirtschaftlicher Ausgeglichenheit, welche die traditionelle ländliche Gesellschaft dargestellt haben soll. Verfolgen wir also die Geschichte der Bretagne von dem Punkt aus, an dem wir sie zuvor verlassen haben.