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Ideologien

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Walisische Touristen

Viel Geschrei um Keltentum

Aber kommen wir zurück zur zweiten keltischen Einwanderungswelle. Wie bereits die erste auf mehrere Jahrhunderte verteilt – ungefähr vom 4. bis zum 7. Jahrhundert – war das Besondere an ihr, dass sie sich nicht vom Kontinent aus hin zu den Ufern des Atlantik bewegte, sondern von den Britischen Inseln zum kontinentalen Armorika.

Zwei Thesen stehen sich hier gegenüber: die von Joseph Loth, dem bedeutenden Verfechter der keltischen Sache im ausgehenden 19. Jahrhundert, vertretene, und die, welche gegen 1950 von einem anderen Gelehrten, François Falc´hun, unterstützt wurde. Die Angelegenheit ist um so heikler, als sich Ideologie und Politik einer Diskussion bemächtigt haben, die nur die Forscher hätte betreffen sollen.

Joseph Loth zufolge soll die kontinentale Bretagne romanisiert worden sein, was genügte, um die gallische – also keltische – Sprache verschwinden zu lassen. So dass die Einwanderung aus Wales und Cornwall sich einer Wiedereroberung angeschlossen haben soll, die auch den Anblick einer Rekeltisierung hatte. Dadurch würden sich sowohl die extreme Verwandtschaft der bretonischen und der walisischen Sprache erklären (beides Zweige des Britannischen, anders als das goidelische Irisch und Gälisch), als auch die Existenz einer östlichen Grenze ihrer Ausdehnung.

Lange Zeit unbestritten, genügte diese These den mehr oder weniger nationalistischen Kreisen, die sich in der Emzav zusammengeschlossen hatten. Die Bretagne war also völlig anders als Frankreich, denn sie hatte ein Schicksal erlebt, das sich von dem des übrigen Galliens abhob. So kam es, dass, als der Domherr François Falc´hun 1951 in einem maschinenschriftlich vervielfältigten Text, später, 1962, in zwei vom PUF Verlag herausgegebenen umfangreichen Bänden die Argumentation von Joseph Loth umzukehren wagte, sich ein unglaubliches Geschrei erhob. Für Falc´hun stieß die Konstruktion seines gelehrten Vorgängers auf zahlreiche linguistische und ortsnamenskundliche Schwierigkeiten, die bewiesen, dass die Untersuchung fehlerhaft war. Wenn man aber im Gegensatz dazu als Hypothese die Erhaltung des Gallischen in der armorikanischen Bretagne annahm, wurde alles einfacher und verständlicher. Die östliche Grenze der bretonischen Sprache im 9. Jahrhundert (von Dol bis Pornic, etwas westlich von Rennes verlaufend) war nicht mehr ihre äußerste Ausdehnung nach Osten, sondern das Ergebnis eines vorausgehenden Zurückweichens des Gallischen. Und folglich war die Bretagne nicht von Völkern von jenseits des Ärmelkanals rekeltisiert worden, die vor den »Barbareneinfällen« flohen, sondern schlicht und einfach britannisiert worden. Was darauf hinauslief zu sagen, dass ihre Geschichte trotz ihrer Einzigartigkeit solidarisch mit der Galliens geblieben war.