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Südküste

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Atom-U-Boote, Bierflaschen und Menhire

Grauenhafte Hölle von Plogoff im Regen

Das Land ist schutzlos. Während die Wolken gleichgültig vorüberziehen, bricht oberhalb des Meeres die Erde unter der Kälte auf.

Pointe des Espagnols – »Landspitze der Spanier«: mit Blick auf die wuchtigen Docks im Hafen von Brest steigen wir auf schlehdorngesäumten Schleichwegen herunter bis zu den Überresten der Zollhäuser. Zwei heulende Hubschrauber kreisen dicht über der Felswand. Die Atom-U-Boote aus Ile-Longue senken sich ins leise Wasser. Ebenfalls militärisch genutzt wird die Landspitze bei Le Toulinguet, als ob dort schon wieder neue Ängste aufbrächen.

Leere Bierflaschen liegen neben einer kalten Feuerstelle unter den unglücklichen und armseligen Mauern von Coecilion herum; die sich im Wind wiegenden Gräser umkleiden die nassen Sockel der Menhirs von Lagad-Yor auf der anderen Seite der Landstraße. Der Sprühregen verschleiert die Gewalt ringsum.

Pointe du Raz. Aufrecht stehend, im Anblick der offenen See, schaut man das Grauen. Dieser Ort ist ein einziges Unwetter. Als würde mit einem Schwert dem Ozean in die Seite geschlagen. Das letzte Ufer, jenseits der Grenzen des Menschen, benennt seinen Schrecken: Hölle von Plogoff, Bucht der Verstorbenen. Maldoror, jene Figur des früh verstorbenen Comte de Lautréamont, wie er sich nannte, der uns außer den Gesängen des Maldoror so gut wie nichts hinterlassen hat, dieser Maldoror beschwört hier seine Rettung. Und indem er die Krümmung der Erdkugel aufhebt, geht sein Blick hinüber auf den anderen Kontinent, wo sein Schöpfer einst geboren wurde, nach Südamerika.

Verlassenheit und Ewigkeit

Trauer, Tränen Schrecken und Leichentücher

Der Raum kehrt sich um und zieht sich zusammen auf die Hülle der eigenen Haut. Die aufgehobene Zeit widersetzt sich Geschichte und Legenden. Die Tränen und Gebete der zurückgelassenen Frauen liegen als Leichentuch über der Strömung zur Ile de Sein. Dem Reisenden entgeht nicht die stolze Furcht der Inseln, wie sie der Geograph Malte-Brun, ein Zeitgenosse Michelets, umschreibt: »Der Schrecken regiert an diesen Küsten und wer dort wohnt, ist ganz auf sich gestellt, in Gedanken versunken und grübelt anscheinend noch über die ausgelöschten Städte, die verschwunden Bräuche und den heftigen Kampf, den die von ihrer Küste abgespaltenen Granitfelsen gegen einen rasenden Ozean bis in alle Ewigkeit hinein führen werden. In ihm lebt noch etwas von einem Druiden. Zwar bringt er den Dolmen keine Menschenofer mehr dar, aber er ist noch mit den Menhiren, seinen wackligen Steinen vertraut. Er setzt sich in ihren Schatten, zieht sie wie ein Orakel zu Rate und hinterfragt ängstlich die Bewegungen dieser gewaltigen Felsen, als ob sie zu Stein gewordene Riesen wären, die über Dinge Bescheid wüßten, die sich dem Menschen entziehen.«