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Meßwein und Pistole

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Angel Dust und Revolver in der Kirche

Härtere Strafen für Wiederholungstäter?

Die Mühlen der Justiz mahlen zu langsam

Sonntags, nach der Messe, schützen sie die Gläubigen vor Dieben. Ein Pastor hat erklärt, dass er einen Revolver hinter seine Kanzel versteckte! In Privathäusern werden Türen zugemauert. Im Sommer lebt in den Wohnungen jeder mit geschlossenen Fenstern, und wenige besitzen eine Klimaanlage. Und dann gibt es noch den Müll der anderen. Von Donnerstag abend bis Sonntag abend erinntert die Notaufnahme des North Bronx Hospital an einen Chirurgie-Außenposten auf einem Schlachtfeld. Jede Nacht gibt es verschiedene Verletzte mit Schußwunden; jede Woche Tote. Achtzig Morde allein im 46. im Jahr 1981. So viel ist hier los, dass in den Zeitungen kaum darüber berichtet wird. Die Schlagzeilen sind den Geschehnissen aus Manhattan vorbehalten.

„Ein Vorteil, wenn du zusammengeschlagen wirst“, sagt mir Luis mit seinem bärbeißigen Humor, „du wirst nicht in einen Hundehaufen fallen. Das ist das einzige Verbot in New York, das stets eingehalten wird: Die Hunde dürfen nicht auf der Straße ihr Geschäft machen!“ Er hat Hunderte von Geschichten auf Lager. Sei sagen alle aus, dass Polizei und Justiz sich nicht gut vertragen.

„Im Namen der individuellen Freiheit“, so Luis, „opfert man das Gemeinwohl. Das Strafgericht behandelt die Ghettomorde wie ein Spiel. Maximal fünf Jahre für einen Mord. Das ist menschenverachtend. Zumal die ‚bad people‘, die Terror verbreiten, eine absolute Minderheit sind. Hier besteht die Mehrheit aus ‚decent people‘.“

„Falls du glaubst, dass die von Mitleid für die Armen reden, irrst du dich“, sagt Jed. „Sie wollen mehr Polizei, mehr Anklagen, härtere Strafen.“ Aber niemand arbeitet mit: Der Verbrecher kehrt stets zurück. Keine Zeugenaussagen. Der Kreis schließt sich. „Nonsens überall“, sagt Jed verächtlich.
[Jahre später, nämlich1994 wurde Rudolph Giuliani zum New Yorker Bürgermeister gewählt. Er führte strengere Strafen selbst für geringe Vergehen ein, um so die Kriminalität einzudämmen, und war damit auch erfolgreich. Allerdings kam es gleichzeitig immer wieder zu Eingriffen in die Rechte von Minderheiten, weshalb „Rudy“ Giuliani bis zum Ende seiner Amtszeit 2001 eine umstrittene Gestalt der US-Poliltik blieb.]

22 Uhr: In einem Fast food liegt ein Mann blaß, reglos, unfähig, mit den Sanitätern zu kommunizieren, die Jed und Luis ständig über den Weg laufen. Angel Dust: Das vernichtet die Nerven. Krankenhaus. 22.20: Luis und Jed schlendern über die Jerome Avenue, als sie der Anruf erreicht: „Black male shot“. Mit Vollgas rasen sie unter den mit apokalyptischen Graffiti beschmierten Wagen einer S-Bahn hindurch. Eine enorme Menschenmenge hat sich auf der Harrisson Avenue versammelt. Der Mann schlief in seinem Bett. Eine Kugel traf ihn am Kopf und zwei an der Brust. Das Blut ist an die Wände gespritzt.

Das Problem ist, die Menge zu beeinflussen. Sie steht tatenlos herum. Niemand interessiert sich wirklich für den Verletzten.

Wie im Kino? Gib Gas. Je weniger man bleibt, desto weniger Problehat man. Dreh dich um. Verlier deinen Partner nicht aus dem Blick und bleib niemals allein zurück. Jed und Luis leben in der ständigen Furcht vor einer Kugel, die einen hinterrücks trifft. Das ist schon mal vorgekommen. Aber es passiert nicht oft. Bericht. Die Detektive übernehmen den Fall.

23.55: In ihrem Wagen, der vor dem „Haus“, der Zentrale parkt, hören die beiden patrolmen aufmerksam das Radio, wo eine weibliche Stimme die Unglücksworte verkündet. Diesmal nichts für sie.

Die Bronx heute

Einerseits hat die Stadt in den vergangenen Jahren einiges unternommen, um die sozialen Verhältnisse zu verbessern. Es begann Mitte der achtziger Jahre mit einem ehrgeizigen Wohnungsbauprogramm des damaligen New Yorker Bürgermeisters Ed Koch. Milliarden wurden in die Renovierung von verfallenen Mietskasernen investiert. Wo nichts mehr zu reparieren war, schickte die Stadtverwaltung kurzerhand die Abrißbirne. So sind zwar auch heute noch, vor allem in der Südbronx, ausgebrannte Fassaden sowie mit Sperrholzplatten vernagelte Hauseingänge zu sehen. Doch dieses Bild städtischer Slums ist selten geworden.

Eine Politik der Null-Toleranz, die in den neunziger Jahren der Bürgermeister Rudolph Giuliani startete, drängte die Kriminalität erstmals seit Jahrzehnten zurück. Für Straßendealer und Autodiebe gab es kein Pardon mehr. Mehrere Tausend „Bronxies“, wie sich die Bewohner selbst nennen, müssen derzeit für ihre Straftaten im Gefängnis büßen.

Ein Musterbeispiel in Sachen Sicherheit, wie sich das vielleicht New Yorks amtierendes Stadtoberhaupt Michael Bloomberg ausmalt, ist die Bronx aber noch lange nicht. 2002 verzeichnete die Polizeistatistik 236 Morde, mehr als in jedem anderen Bezirk New Yorks. Meistens waren dabei Drogen im Spiel, zuweilen ging es aber auch nur um einen zunächst harmlosen Familienstreit, der schließlich blutig endete.

Wer einmal arm ist, bleibt arm. Das gilt auch für die Menschen in der Bronx. Schlechte Schulen, schlechtes Essen, schlechte Umwelt, schlechte Gesundheit – es ist ein Teufelskreis, aus dem es nur den Wenigsten gelingt zu entrinnen. Besonders die Kinder haben unter den trostlosen Lebensverhältnissen zu leiden. Eine Studie der New Yorker Gesundheitsbehörde zeigte, dass die Zahl der wegen Asthma im Krankenhaus behandelten Kinder unter fünf Jahren in der Bronx viermal so hoch ist wie im wohlhabenden Manhattan. Aber auch andere Krankheiten wie Diabetes und Tuberkulose sind in den Bronx häufiger.