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Bryggen-Kai und Hansemuseum

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Bryggen-Kai und Hansemuseum

Von der Decke getrockneter Kabeljau

— Wirklich schade, dass das ganze Viertel gebrannt hat; man muß sich mal den Hafen voller hoher, dichtgedrängter Häuser mit engen Gassen dazwischen vorstellen. Diese wunderbaren Giebelbauten dienten damals als Lager und Unterkunft für die rührigen Händler des Hansebundes. Die heute noch existierenden vier roten Ziegelhäuser stammen übrigens nicht aus der damaligen Zeit: sie wurden nachgebaut, und zwar mit einigem Erfolg.

Bummeln wir zwischen ihnen hindurch und achten auch auf die Holzfußböden. Die norwegischen Strickwarengeschäfte haben die Türschwellen im Handstreich genommen. In einem dieser ehemaligen Lager ist heute das Hansemuseum (Det hanseatiske museet) untergebracht; Zutritt gewährt es von Mai bis September 11-16h, T. 31 41 89. Um 12 und 14h Führungen in englischer Sprache; sie dauern eine halbe Stunde und sind sehr informativ. Allerdings nicht umsonst.

Der Hansebund, der das Wirtschaftsleben der Stadt vom 12. bis zu Beginn des 18. Jhs beherrschte, ist schon ein ungewöhnliches Phänomen. Das ganze Viertel befand sich in der Hand deutscher Händler. Die Lager wurden sogar durch Absperrungen vom Rest der Stadt abgegrenzt, man könnte das Viertel daher fast als Ghetto bezeichnen. Die Häuser standen in Sechsergruppen aufgereiht; auf diese Weise konnten die Händler von jedem Haus aus über einen Korridor durch den ganzen Häuserkomplex den Kai erreichen. Die Hanse besaß mehrere derartiger Niederlasssungen und weitete ihren Einfluß auf die gesamte Nordsee aus. Die wichtigsten Häfen waren Brügge, Bergen, London und Novgorod. Im 17. Jh. zählte man unter den damals achttausend Einwohnern Bergens zweitausend Deutsche. Aber die Gemeinden vermischten sich nicht: Heiraten zwischen den Nationalitäten war verboten, und die einzige Gelegenheit, bei der man sich traf, waren Dart-Wettbewerbe.

Die Besichtigung beginnt im Erdgeschoß, wo von der Decke getrockneter Kabeljau hängt. Das Fischöl verwandte man zu Beleuchtungszwecken. Hier luden Hafenarbeiter den Kabeljau von den Schiffen, die nur wenige Meter entfernt vor Anker lagen. Oben war das Reich des Händlers: dort befanden sich sein Büro und die Schlafräume. Auf den kleinen Wandschrank in der Ecke achten! Dort führt doch tatsächlich eine kleine Innentür zu einem Geheimgang, über den sich die Mätressen wegschlichen. Die winzigen Betten sind alle in einer Art Wandschrank untergebracht, damit man vor Kälte einigermaßen geschützt war. Das Haus wurde nämlich nicht beheizt! In einem anderen Zimmer weitere kleine Betten. Dort schliefen jene Kinder, die man aus Deutschland als Lehrling oder Gehilfe herschickte. Ab einem Alter von elf Jahren waren sie für das Geschäft brauchbar. Manchmal mußten sich in den vier Betten zehn Kinder zusammenpferchen. Man muß sich das mal überlegen: da sie nur von 21-2h morgens schlafen durften, war ihnen wahrscheinlich jede noch so erbärmliche Schlafstelle recht. Die Lebensbedingungen in der guten alten Zeit waren ganz schön übel! Zu allem Überfluß war der Winter in Bergen, wie fast in ganz Norwegen, eine ziemlich triste Angelegenheit. Obwohl sich das Klima dort, im Gegensatz zu anderen Städten, noch einigermaßen gnädig aufführt: es fällt kein Schnee oder nur wenig, weshalb sich auch das schwache Winterlicht nicht auf einer weißen Schneedecke spiegeln kann wie im Hohen Norden. Bergen ist dann in ein trübes, regnerisches Licht getaucht.