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Peoples Palace

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People´s Palace

Glasgow Green. T. 0141 271 2962. Besichtigungszeiten: täglich 10-17h, freitags und sonntags 11-17h. Freier Eintritt. Ein der Geschichte Glasgows und seiner Einwohner gewidmetes Museum, 1898 errichtet. Seine elegante Architektur im Stil französischer Renaissance veranschaulicht, welche Bedeutung die Verantwortlichen damals dem Gedenken an ihre Stadt beimaßen. Man findet auf der Welt kaum ein zweites Museum, das soviel Liebe einer Bevölkerung für ihre Stadtgeschichte widerspiegelt und zugleich so anziehend und lehrreich ist.

Neben einer geologischen und mineralogischen Abteilung mit Überresten des mittelalterlichen Glasgow sind alle möglichen geschichtsträchtigen Erinnerungsstücke ausgestellt, die mit dem gesellschaftlichen Leben, den Handelsbeziehungen, den Berufen und Zünften der Stadt durch mehrere Jahrhunderte hindurch verbunden sind. Sich mal die branks anschauen, diese eisernen Halsbänder, welche die Frauen im 16. Jh. zur Strafe umlegen mussten. Besonders bemerkenswert ist das raffinierte kleine Ding, das sie am Sprechen hinderte. Sehenswert sind ferner: eine Totenglocke von 1641, die bei Begräbnissen zum Einsatz kam, ein Raum, der dem See- und Kolonialhandel gewidmet ist, der Glasgows Wohlstand begründete, sowie zahlreiche Erinnerungsstücke an die bedeutenden Tabakhändlerfamilien und an James Watt, »Vater« der Industriellen Revolution.

Im ersten Stock dann eine Sammlung alter Plakate, Nachbildungen von Geschäften und eine Abteilung, in der man sich ein Bild der Wohnbedingungen im 19. Jh. machen kann.

Erstaunlich ist die Gewissenhaftigkeit der Hausbesitzer: um die Überbevölkerung einzudämmen, befestigten sie um 1900 Schilder, tickets, an ihren Wohnungen, die Auskunft über das Volumen des Wohnraums in Kubikmetern und die Anzahl der Personen, die dort maximal wohnen durften, gaben. Nachts kamen Inspekteure vorbei. Alles, was hinsichtlich der Personenzahl in einer Wohnung über ein Drittel des Erlaubten lag, hatte für den Eigentümer eine kräftige Geldstrafe zur Folge. Im Jahre 1914 waren auf diese Weise zweiundzwanzigtausend Gebäude ticketed.

Zahlreiche Räume des Museums sind der Geschichte der Arbeiter- und Frauenbewegung gewidmet. Die schottische Gewerkschaftsbewegung war eine der kämpferischsten in Europa. Zu besichtigen ist das Büro des John MacLean, des bedeutendsten Gewerkschaftsführers der Zeit um die Jahrhundertwende, der – quasi auf Zuchthäuser abonniert – im Alter von vierundvierzig Jahren vorzeitig an den Folgen der üblen Haftbedingungen starb. Ferner Erinnerungsstücke an den beliebtesten Abgeordneten, den Glasgow je hatte: Jimmy Maxton. Westschottland hatte durchaus seinen Spitznamen Red Clydeside verdient. Schließlich beherbergt das Museum noch Zeugnisse des künstlerischen, sportlichen und religiösen Lebens der Stadt. Von Zeit zu Zeit werden Sonderaustellungen gezeigt. Nicht den Genuß einer guten Tasse Tees im eleganten Wintergarten versäumen. Fantastisches tropisches Gewächshaus.

* Unter den übrigen Sehenswürdigkeiten des Green ist die Teppichfabrik Templeton, ein ungewöhnliches Gebäude aus buntem Backstein, das eher den Eindruck eines venezianischen Palastes erweckt. Es liegt neben dem People´s Palace und wurde hier, am Rande des Green, 1892 errichtet. Die Stadtväter forderten, dass die Architektur der Fabrik eine gewisse Ästhetik zeigen sollte. James Templeton, der Unternehmer, fragte den Architekten, welches seiner Meinung nach das schönste Gebäude der Welt sei. Der erwiderte, das sei der »Dogenpalast« in Venedig. Templeton machte ihm daraufhin den Vorschlag, bei der Konstruktion der Fabrik jenen als Vorbild zu nehmen. Man möchte schmunzeln bei der Vorstellung, was wir heute im Green vorfinden würden, wenn der Architekt Versailles oder den Tadj Mahal genannt hätte! Die folgende Begebenheit veranschaulicht deutlich die grausamen Begleiterscheinungen des damals blühenden Kapitalismus. Als man nämlich noch die Mauern hochzog, hatte man im Inneren bereits barackenartige Werkstätten eingerichtet und die Produktion schon provisorisch aufgenommen. Während der Bauarbeiten stürzten die Mauern ein und begruben neunundzwanzig junge Teppichweberinnen.

Die Teppichweberei wurde 1979 eingestellt.