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Osten 2

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Noch nicht genug?

Weiter geht die Tour durch Glasgow

Machen wir doch Rast in der Oyster Bar, Ecke Gibson und Gallowgate, die ihre Gäste schon seit 1894 bewirtet. Nein, natürlich nicht dieselben seit der Zeit, immer neue! Vormittags kommen, um die clabbidoes, Riesenmuscheln, zu kosten, die weggehen wie warme Semmeln, oder auch die whelks, zu Deutsch Meeresschnecken. Einen Teller Muscheln bekommt man bis 17h vorgesetzt. Eine außergewöhnliche Adresse, da sich die günstigen Preise noch nicht herumgesprochen zu haben scheinen.

Glasgow Green

Dieser hübsche weitläufige Park ist einer der ältesten der Welt und erstreckt sich südlich des Barras am Ufer des Clyde. Es handelt sich hier nicht um einen simplen Park, sondern um ein echtes Symbol. Er ist das Heiligtum der Glasgower, da sich in ihm ein bedeutendes Stück Stadtgeschichte abspielte, was natürlich viele Anekdoten nach sich zog. Der Park ist für jedermann: property of the people. Viele Historiker halten ihn sogar für einen der wichtigsten Schauplätze der Geschichte Schottlands. Selbst urteilen.

Die Grünanlage existiert seit achthundert Jahren. Es ist nicht ganz klar, wann sie Gemeineigentum wurde, aber schon 1450 verhängte der Bischof von Glasgow hier das Weiderecht. Bis 1870 grasten hier Kühe, danach Schafe. Der Park wurde Zeuge der Industriellen Revolution, was kein Pappenstiel ist, da sie schließlich unsere gesamte Existenz veränderte. Tatsächlich meditierte James Watt eines schönen Sonntagnachmittags des Jahres 1765 in dem Park, als ihm plötzlich die Anwendungsmöglichkeiten des Dampfdrucks in den Kopf schossen. Ein Denkmal neben der Nelsonstatue erinnert an dieses Ereignis.

Zahlreiche geschichtliche Episoden haben sich hier abgespielt: 1746 inspizierte hier Bonnie Prince Charlie seine Truppen, bevor er sie in die berühmte Schlacht bei Culloden schickte, die für Schottland das Ende der Unabhängigkeit zur Folge hatte.

Der Justizpalast auf der Westseite des Parks wurde Zeuge von einundsiebzig öffentlichen Hinrichtungen, darunter vier Frauen, in der Zeit von 1814-1865. Sämtliche gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Kämpfe für die Freiheit, alle Arbeiterkundgebungen fanden hier statt: hier wurden lautstark das one man, one vote-Recht und das Frauenwahlrecht propagiert, und hier fanden die Solidaritätsbekundungen für die Arbeiter der Clydewerften 1971 und für den großen Bergarbeiterstreik 1984 statt. Ähnlich wie die Speaker´s Corner in London stellte der Green lange Zeit eine ständige Bühne dar, auf der »orange men« Hetzreden gegen den Papst, Nichtgläubige, Gott und die Bischöfe, die Gewerkschaftsführer und Arbeitgeber, den Alkohol und vieles mehr schwangen. Das blieb so bis zum Zweiten Weltkrieg, als das Radio den Green als Diskussionsforum ablöste. Zahlreiche Gewerkschaftsführer, Politiker und Parlamentsmitglieder wurden hier politisch »sozialisiert«. Es heißt, sie hätten ihr Diplom an der »Glasgow Green University« gemacht.

Wehrhafte Bürger

Und, nicht zu vergessen, die heftigen Auseinandersetzungen in Sachen Umwelt. Die ganze Bevölkerung wurde 1847 aktiv, um den Bau einer Bahnstrecke mitten durch den Park zu verhindern. Des Weiteren wehrten sich die Einheimischen im letzten Jahrhundert mehrfach gegen die Eröffnung von Kohlebergwerken. Der letzte Kampf fand 1981 statt, als die Verantwortlichen planten, eine Schnellstraße durch den Park hindurch zu legen. Die Glasgower reimten und schmetterten Lieder um die Wette, um die Kampagne der GRIM, Glasgow Resistance to Incoming Motorways, zu unterstützen. Die Entscheidung wurde rückgängig gemacht. Unsere sportbegeisterten Leser müssen natürlich noch wissen, dass auf diesem Rasen 1873 die »Glasgow Rangers« und 1888 der »Celtic«-Club ins Leben gerufen wurden. Also, man sollte es wirklich nicht für möglich halten, was sich unter ein paar simplen Grasbüscheln alles verbirgt!