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Croft: Landwirtschaft in den Highlands

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Croft: Landwirtschaft in den Highlands

Wovon existiert denn nun die Viertelmillion Überlebender in den Highlands
nach diesen Jahrhunderten der Verwüstungen? Einer von zehn lebt auf –
aber selten »von« – einem der rund achtzehntausend crofts, von denen
sich nahezu drei Viertel auf den Inseln befinden. Seit den Bauernaufständen
auf den Hebriden in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sichert
das Gesetz diesen crofters praktisch unkündbare Pachtverträge
gegen minimale Pachtzinsen – wodurch die Ablehnung, die man auf der Insel
Lewis dem Geschenk von Lord Leverhulme entgegenbrachte, verständlicher
wird: die Highlandbauern fühlen sich gegen den Verlust ihres Bodens besser
abgesichert, dadurch dass sie Pächter bleiben, gemäß
dem Wortlaut des Gesetzes von 1886, als wenn sie Grundbesitzer werden würden.
Dadurch dass es ein Recht garantierte, definierte dieses Gesetz auch
eine bestimmte Art des Lebensunterhalts, das crofting, und umgrenzte
eine Region, die crofting counties: die bergigen Grafschaften Argyll,
Inverness, Ross and Cromarty und Sutherland sowie die Grafschaften Caithness,
die Orkney- und die Shetlandinseln, wo es zwar an Bergen und Gälen fehlt,
nicht aber an crofts.

Ein typischer croft besteht aus einem Haus, einem Stück Ackerland
mit Hafer, Kartoffeln, Rüben und Weideland, im allgemeinen gemeinsamer
Besitz. Obwohl sie allmählich durch moderne Häuschen ersetzt worden
sind, gibt es sie noch, untersetzte Gebilde, abgestützt gegen die atlantischen
Stürme. Mehrere Dutzend herkömmlicher crofts sind erhalten
geblieben, mit ihren Strohdächern und fugenlosen Steinmauern, beheizt
durch ein ständig brennendes Torffeuer direkt auf dem Lehmboden mitten
im größeren der beiden Zimmer. Der National Trust for Scotland,
eine private Vereinigung, die diese gefährdeten Meisterwerke aufkauft,
restauriert und unterhält, hat mehrere dieser black houses, schwarze
Häuser genannt wegen ihres verräucherten Innenraums, als Museum
eingerichtet, insbesondere in Arnol (Lewis), Kilmuir (Skye) und South Voe
(Shetland).

In dem schwarzen Haus lagen die Viehställe neben den Wohnräumen.
Aber was seltsam ist für die Bleibe eines Landwirts, ist die Tatsache,
dass der moderne croft nur selten mit Nebengebäuden ausgestattet
ist. Man findet dort höchstens einen Schuppen, in dem diverse Werkzeuge
durcheinander liegen, die eher etwas mit Gartenarbeit als mit Landwirtschaft
zu tun haben: das liegt daran, dass der crofter ein Bauer ist,
der kaum Gelegenheit dazu hat, die Erde umzugraben, abgesehen von bestimmten
Gemüseanbauarbeiten und dem Torfstechen im Frühjahr. Diese Aufgabe
ist schlechthin eine Arbeit, bei der gegenseitige Hilfe eine wichtige Rolle
spielt: ein Mann schneidet mit einer Planierschaufel Torfstücke aus,
ein zweiter zieht die Soden aus dem Graben heraus und ein dritter schichtet
sie zum Trocknen übereinander. Und in diesen Zeiten der Arbeitslosigkeit
zieht die Mannschaft bisweilen noch ein viertes Mitglied hinzu, damit beauftragt,
die Torfgrube von Gestrüpp zu befreien, und sogar ein fünftes, um
den Mann mit der Schaufel abzulösen. Wenn dann der Sommer gekommen ist,
müssen noch die Briketts vom Moor zum croft geschafft werden,
der manchmal mehrere Kilometer entfernt liegt.

Jeder crofter widmet gut einen Monat im Jahr der Torfstecherei, wodurch
dann seine Heizung fürs ganze Jahr gesichert ist. »Torf ist ein recht
mittelmäßiger Brennstoff, der in bestimmten armen Ländern
als häuslicher Heizstoff verwendet wird«, behauptet ein Lexikon. Das
stimmt natürlich, aber es auch nicht weniger wahr, dass Torf billiger,
umweltfreundlicher und leichter abzubauen ist als Kohle oder Erdöl. In
gewisser Weise ist er für diese Nebelländer das Gegenstück
zur Sonnenenergie. Es wirkt doppelt widersinnig, wenn die alten Shetlander
mit Kohle heizen: die jungen Leute, die ihnen traditionsgemäß beim
Stechen des Torf zur Hand gingen, der auf den Inseln reichlich vorhanden ist,
sind mittlerweile zu sehr damit beschäftigt, Erdöl aus den Meerestiefen
abzupumpen.

»Im Grunde genommen liefert mir mein croft durchschnittlich nur für
drei Tage in der Woche Arbeit«, vertraute mir Ian Macmillan an, ein Freund
von Lewis. Da die Grafen von Seaforth ihren Paternalismus bis zum Ende durchzogen,
blieb diese Insel von clearances weitgehend verschont, so dass
die einzelnen Betriebe heute arg zerstückelt sind: 2.300 crofts
haben eine Fläche von oder sogar unter zwei Hektar und 1.000 eine, die
um die vier Hektar herum. Nun hat Ian aber auch noch das Glück, Nutznießer
eines Stückchen machair zu sein, eines schmalen Streifens sandiger
Erde am Rande des Ozeans, mühsam fruchtbar gemacht durch das Ausstreuen
brauner Meeresalgen. Das geduldige Sammeln dieser Alge, reich an Kali, die
von den Winterstürmen auf dem Strand abgelagert wird, beweist, dass
die Gälen weder so jämmerliche Landwirte sind, noch so ausgemachte
Faulpelze, wie man oft verlauten läßt. Man muß mit alten
Leuten von den Hebriden reden, um zu ermessen, wie schwierig ihre Aufgabe
war, bevor es Kunstdünger gab. Bei dem Versuch, ihre unergiebige Erde
zu verbessern, unterwarfen sie alles Kompostierbare der Verwertung, darin
inbegriffen menschlicher Fäkalien: so verrichteten die Männer im
Pferdestall ihre Notdurft, die Frauen im Kuhstall.

Das erlaubte ihnen, aus dem machair den höchsten Nutzen zu ziehen:
Anbau von Gerste – mit der sie ein grobes Brot herstellten, das, bevor es
von dieser britischen Geißel, nämlich dem Weißbrot in Scheiben,
ersetzt wurde, den hebridischen Gebissen den Europameistertitel einbrachte
– und Aufzucht von Hochlandrindern, diesen wundervollen Nachfahren des Auerochsen,
mit den mächtigen Hörnern und dem breiten und nackten Maul, dem
Haarschopf eines Plüschbären und dem rot-braunen, falben oder kastanienbraunen
Fell, lang im Winter und kurz im Sommer. Aber ach!, da sie weniger Fleisch
liefern als ihre Vettern aus den Lowlands, die schwarzen Aberdeen-Angus Rinder,
scheinen sie dazu verdammt zu sein, nur in Zoos weiter zu existieren, trotz
gelungener Versuche, sie in Kanada und Rußland heimisch zu machen.

Eigentlich können nur die crofters von den fruchtbaren Orkneyinseln
als Vollzeitbauern betrachtet werden. Die anderen müssen ihren Lebensunterhalt
durch zusätzliche Nebenbeschäftigung bestreiten, im allgemeinen
Fischfang, Handel oder ein Handwerk.

Vor dem Ersten Weltkrieg schlug sich Ians Vater ziemlich gut durch. Wie
viele Hebrider füllte er die Einnahmequellen seines crofts durch
den Fang von Heringen auf, von denen es in Küstennähe nur so wimmelte.
Aber oh weh! die Quelle versiegte. Zwischen den beiden Weltkriegen mußte
er ohnmächtig mitansehen, wie die Gewässer des Minch von einer Armada
aus deutschen, skandinavischen und sowjetischen schwimmenden Fabriken geplündert
wurden. Während sogar die Schiffswerften am Clyde außer Atem kamen
bei der Produktion von Passagierdampfern, die leichter zu versenken als abzusetzen
waren, und dann mangels Aufträgen eine nach der anderen ihre Pforten
schließen mußten, konnten sich die Fischer auf den Hebriden und
den Shetlandinseln gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht
durchsetzen, weil es ihnen an modernen Schiffen fehlte. Eine widersinnige
Situation, die ein gewisser Grad an Selbstverwaltung oder wenigstens an regionaler
Planwirtschaft zweifellos hätte vermeiden können. Es gab 1938 in
den crofting counties viertausend Bauern-Fischer; fünfzig Jahre
später waren es nur noch achthundert. Es stimmt natürlich, dass
über ein Drittel des Heringsfangs im Vereinigten Königreich in nordschottischen
Häfen gelöscht wird (Ullapool, Mallaig, Stornoway, Lochinver und
Kinlochbervie), aber oft wird er von Schiffen ausgeführt, die nicht aus
der Gegend kommen.

Als er aus dem Krieg zurückkehrte, hatte Ian einen guten Riecher. Er
gab den Heringsfang auf – er hatte auch einen empfindlichen Riecher – und
stürzte sich in die Tweed-Weberei – was nichts mit dem Fluß
in den Borders zu tun hat, der Walter Scott so teuer war, sondern eine irrtümliche
Ableitung des Wortes tweel ist, einer Art sergeähnlichen Gewebes
mit außerordentlich feinen Rippen. Im Gegensatz zu den Wollwaren der
Shetlandinseln war der Tweed von Harris durch ein Etikett geschützt,
das die Herkunft (Äußere Hebriden) und die Handwebart garantiert.
Die Geschäfte liefen bis zur Kleiderrevolution der sechziger Jahre. Als
ich Ian 1969 zum ersten Mal traf, gab er in Bezug auf die Launen der Mode
die von jedem guten Presbyterianer geforderte spöttische Verachtung vor.
»Mach´ dir nichts draus«, beruhigte er mich – auf diese typisch gälische
Weise, bei der man nie weiß, ob der Redner es ernst meint oder ob er
sich über den Zuhörer, sich selbst oder über Gott den Vater
lustig macht – und führte mich in seine Werkstatt, in der sich die Stapel
unverkauften Stoffs türmten, »Mary Quant wird schon irgendwann Unterhosen
aus dem guten alten Harris-Tweed kreieren, und Twiggy wird sich eines Tages
schließlich wie die Königinmutter kleiden.«

Manche Gälen sind berühmt für ihre second sight, ihre
Gabe des zweiten Gesichts. Es gibt andere, die besser davon Abstand nehmen
sollten, auch nur die geringste Vorhersage zu treffen. Während man 1966
noch acht Millionen yards Harris tweed verkauft hatte, konnte
man 1969 nurmehr fünfeinhalb Millionen von diesem Stoff absetzen und
1975 ganze zweieinhalb Millionen. Seither erlaubte die Qualität des Produkts,
einige Marktanteile zurückzuerobern, mit viereinhalb Millionen yards
durchschnittlich zwischen 1980 und 1990 zu wenig jedoch, um der Gesamtheit
der Weber einen Arbeitsplatz zu sichern. Das Klappern der Webstühle im
Inneren der crofts, das unlängst noch, so wie der Brummton des
Dudelsacks, eine regelmäßige Schwingung in die klangvolle, zügellose
Unterhaltung des hebridischen Landlebens brachte, das der kapriziösen
Laune der Schafe, Vögel, Winde und Nebelhörner unterworfen war,
läßt sich zunehmend seltener vernehmen, in dem Maße, wie
Entmutigung die crofters-Weber erfaßt. Es gab 1966 noch rund
tausend von ihnen, aber seitdem mußten über die Hälfte von
ihnen, darunter auch Ian, aufgeben. Er erwägt mittlerweile, seinen croft
zu verkaufen.