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West Dunbartonshire

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An den Ufern des Loch Long

Schottisches Hochland

Fischerei und Folklore

Dieser See ist eigentlich ein hier tief in das Land sich erstreckender Arm des atlantischen Meeres. Steile Felsen steigen senkrecht aus seinen salzigen Fluten und streuen ewig dunkle Schatten über sie hin, während auch im Sonnenscheine die Bergwasser glänzen, die von hohen Gipfeln hinab von allen Seiten zueilen.

Arrochar, ein einzelner Gasthof, von wenigen Hütten umgeben, liegt hart am Ufer des Sees. In früheren Zeiten war dieses Haus der Sitz einer edlen Familie, und noch immer erkennt man in dessen Bauart die Spuren jener höheren Bestimmung.

Loch Lomond*

Wenige Meilen von Arrochar gelangten wir durch Schluchten, welche sich zwischen hohen Bergen eng hinwinden, an die Ufer dieses schönsten und größten Sees in den Hochlanden. Ländliche Anmut und erhabene Größe wechseln in seinen Umgebungen. Bald scheinen die prächtigen, größtenteils waldbewachsenen Berge sich um ihn zu drängen, als wollten sie sich in seinen klaren Fluten spiegeln; dann treten sie wieder zurück, und Wiesen und Felder umgeben das glänzende Gewässer.

Zuerst empfing uns ein frischer, grüner Wald am Ufer; unter hohen Laubgewölben fuhren wir hin und freuten uns des Silberglanzes im See und der mannigfaltigen Reflexe. Ein hoher Berg, einer der höchsten, über die wir bis jetzt gekommen waren, stellte sich uns in den Weg; wir erreichten seinen Gipfel, der Weg senkte sich, und vor uns, unabsehbar breit, in aller seiner hohen Pracht, lag der ganze, herrliche See da, besät mit kleinen und größeren grünenden Inseln, zwischen denen Fischerboote hindurchruderten. Millionen weiße, sich kräuselnde Wellchen belebten die silberne Fläche, aus der auf der anderen Seite der mächtige Ben Lomond senkrecht emporsteigt, bis zu den Wolken, die sein Haupt verhüllen.

Die ganze Gegend ist von so wunderbarer Schönheit, dass jeder Versuch, sie zu beschreiben, vollkommen zwecklos wäre; aber nie werden wir den Tag vergessen, den wir an diesen Ufern verlebten.

Unsere Herberge in dem hart am See erbauten Dörfchen Luss, leider dem letzten Orte in den Hochlanden, durch den wir kamen, war indessen gar nicht erfreulich. Eine Gesellschaft betrunkener Bergschotten hatte sich in einem der unteren Zimmer einquartiert und tanzte zu einer verstimmten Violine und einem Dudelsack, ganz unter sich, ohne Frauenzimmer, auf´s lustigste herum. Die Mädchen hatten nicht bleiben wollen, das hinderte aber die Männer nicht, dennoch ihre Nationaltänze aufzuführen und sich vortrefflich dabei zu divertieren. Das pferdemäßige Stampfen, das Freudengekreisch bei irgend einem wohlgelungenen Sprunge würde uns in´s Freie getrieben haben, wenn uns die himmlische Gegend nicht herausgelockt hätte. Nur für die Nacht war uns bange, und nicht ohne Grund. Unser Wirt war ebenfalls betrunken und dabei so gesellig, dass wir ihn alle Augenblicke aus dem Zimmer komplimentieren mußten. Seine Tochter, ein sehr hübsches Mädchen, erschien uns dabei recht interessant; sie gab sich alle Mühe, den Vater zur Ruhe zu bringen, und doch mit so zarter Schonung, immer strebend, das kindliche Verhältnis nicht zu verletzen, und wieder wie beschämt, dass wir, die Fremden, die so weit herkamen, ihre Berge zu sehen, ihn in solchem Zustande treffen und dadurch an Bequemlichkeit leiden mußten.

Glasgow*

Hinter Luss ward die Gegend allmählich flacher, der Weg besser; alles kündigte uns an, dass wir das Land der Poesie verlassen und zurückkehrten zum platten Lande mit seinem Alltagsleben. In Dumbarton schieden wir von unserem Fuhrmanne und seinen vier treuen Rossen, die uns über so manchen hohen Berg, durch so manches friedliche Tal geführt hatten. Wir nahmen Abschied von den Hochlanden, aber die Erinnerung davon blieb uns. Sie reiht sich an so manche andere schöne Erinnerung aus der Schweiz und aus vaterländischen Gebirgen, von denen diese, die wir jetzt verließen, sich indessen so merkwürdig als merklich unterscheiden.

Die Gegend von Dumbarton ward als schön gerühmt; unsere Phantasie war nur von der nächsten Vergangenheit noch zu sehr erfüllt, als dass wir sie genau beachten konnten. Die Lage des Städtchens schien uns indessen sehr freundlich. Ein hoch darüber emporragender Fels, dessen steilen Gipfel ein festes Schloß krönt, nimmt sich malerisch aus mitten in der wasserreichen Ebene, deren Horizont die dunklen Gebirge umgrenzen, welche wir eben verlassen hatten. Mit Postpferden langten wir gegen Abend in Glasgow an.

Die Stadt ist ziemlich groß; schöne breite Straßen und Plätze, sehr hübsche, von Quadersteinen erbaute Häuser erinnerten uns an Edinburgh. Auch hier fanden wir wie dort in allen Häusern breite steinerne Treppen, mit eisernen Geländern versehen; ein Luxus, auf welchen die Einwohner sehr stolz sind und ihn bei jeder Gelegenheit als großen Vorzug vor London preisen. Dort, meinen sie, könne man in einem oberen Stockwerke keine Nacht ruhig schlafen, weil man, wenn Feuer im Hause auskäme, in der entsetzlichsten Gefahr wäre, elendiglich umzukommen.

Gleich bei unserem Eintritte in den Gasthof erhielten wir eine lustige Probe der hiesigen Industrie. Ein Gentleman ließ uns auf das dringendste um die Erlaubnis bitten, uns in unserem Zimmer besuchen zu dürfen. Da wir endlich nachgaben, erschien ein sehr höflicher Herr mit ein paar dicken Büchern unter dem Arme und erbot sich, als Sprachmeister uns Englisch zu lehren; er hatte vernommen, dass wir beim Aussteigen aus dem Wagen ein paar Worte Französisch untereinander sprachen, und hielt uns folglich für eine ausgewanderte französische Familie, der er seine Hilfe notwendig anbieten müsse.