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Central Lowlands

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Edinburgh - Architektur

Register Office und Karneval

Wann beginnt das Tattoo?

Die neue Stadt kann sich in Hinsicht der Regelmäßigkeit und Breite der wohlgepflasterten, mit breiten Fußwegen auf beiden Seiten versehenden Straßen mit den schönsten Städten Europas messen; in Hinsicht der Schönheit, der Solidität und des guten Geschmacks der aus Quadersteinen erbauten Wohnhäuser übertrifft sie solche vielleicht.

Wie in London gibt es auch hier große Plätze, umgeben von schönen Gebäuden, und in ihrer Mitte einen mit eisernem Geländer eingefaßten artigen Garten oder einen schönen Grasplatz. Fast alle Straßen bieten Aussicht auf´s Meer. Dieses große, ewig wechselnde, ewig neue Schauspiel erhält hier noch durch eine Menge kleiner, zerstreut liegender Inseln neuen Reiz. Ferne, blaue Berge begrenzen von der einen Seite die große Perspektive, die von der anderen sich in´s Unendliche ausbreitet.

Unvergeßlich bleibt uns ein Abend, den wir in Princes Street bei einem unserer Bekannten zubrachten. Diese, eine englische Meile lange Straße besteht nur aus einer Reihe sehr schöner Häuser; gegenüber begrenzt eine eiserne Balustrade jene Kluft, welche die alte Stadt von der neuen scheidet, und welche, gerade hier unbebaut, Kühen und Ziegen zur Weide dient. Senkrecht steigen daraus die ganz nackten Felsen empor, wild, zackig, in schönen, wechselnden Formen. Hoch liegt die alte Königsburg und andere alte Gebäude; über ihnen droht, von blauen Nebeln umwoben, König Arthurs Sitz, ein wunderbar geformter Fels, fast wie ein Thron gestaltet. Von ihm erzählt sich das Volk manche schauerliche Sage der Vorzeit. In seiner Nähe erblickt man auf einem anderen Felsen die Ruine eines alten Schlosses, in welchem die unglückliche Maria Stuart von ihrem eigenen Volke gefangen gehalten ward, ehe sie nach England in den Tod ging. Das Meer begrenzt die Aussicht am Ende der Straße. Hier sahen wir die sinkende Sonne die Spitzen der Felsen röten, später den Mond die Wellen des Meeres versilbern, und schieden mit der Überzeugung, dass nicht leicht eine andere große, volkreiche Stadt uns ein ähnliches Schauspiel darbieten wird.

Die dritte Abteilung von Edinburgh ist Leith. Eigentlich eine Stadt für sich, aber, fast mit Edinburgh zusammenhängend, kann sie doch dazugerechnet werden. Leith liegt in der Tiefe, hart am Hafen, in einer niedrigen, etwas sumpfigen, unangenehmen Lage. Hier sind die Schiffswerften, Magazine, Comptoire und die Wohnungen derer, die mit allen diesen Dingen sich beschäftigen. Hier gibt´s des Drängens, Stoßens, Treibens genug. Leith ist nicht so bergig, aber fast so häßlich als die Altstadt Edinburgh; die Straßen sind voll Gewühl und Getümmel; wir waren froh, bald zu entkommen.

Das schönste Gebäude in Edinburgh ist das Register Office; es dient zu mannigfaltigen öffentlichen Zwecken. In einer durch eine Kuppel von oben erleuchteten Rotunde sahen wir hier die marmorne Statue des Königs Georg des Dritten. Mrs. Damer, eine Dame von Stande in London, hat sie der Stadt geschenkt, und, was das Merkwürdigste dabei ist, sie hat sie selbst verfertigt. Man muß ihren guten Willen ehren, die Statue selbst ist ein unförmiges Machwerk.

Das Kastell ist ehrwürdig durch seine ehemalige Bestimmung, sein Alter und seine imposante Lage, hoch auf dem Gipfel des Felsens.Holyrood House, die Residenz des Königs von Großbritannien, wenn er einmal nach Edinburgh kommen sollte, ist ein großes, ganz gewöhnliches altmodisches Schloß, welches sich auf keine Weise auszeichnet, aber dennoch dem Palaste von St. James in London vorzuziehen. Verschiedene Privatpersonen, denen der König die Erlaubnis dazu gab, bewohnen es jetzt; auch war es die Residenz des Grafen Artois, späterhin König Karl der Zehnte. Die Wohnungen im Schlosse und dem es zunächst umgebenden Bezirke haben das Vorrecht, dass niemand schuldenhalber darin arretiert werden kann. Sie werden deshalb sehr gesucht, besonders, wie man uns versicherte, vom schottischen Adel.

Graf Artois (1) lebte hier, soviel möglich wie weiland zu Versailles. Zweimal die Woche speiste er öffentlich, allein, wie es die Etikette fordert. Dreimal die Woche hielt er Lever vor einem Hofe von Emigranten, die er um sich versammelte. Wir sahen seine Zimmer; sie sind so ganz bürgerlich einfach, dass sie ihn doch oft an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge erinnert haben müssen. Uns waren nur drei Gegenstände darin merkwürdig: das Bildnis der Tochter Ludwigs des Sechzehnten, das ihrer Tante, der Prinzessin Elisabeth, und eine Aussicht auf Malta, welche diese unglückliche Dame zu Paris im Temple(2) malte, und hoffentlich so, unterm Schutze der ewig heiteren Kunst, wenigstens einige Stunden den großen Schmerz vergaß, der schwer auf ihr lastete.

Bei aller romantischen Pracht und Schönheit eignet sich die Lage Edinburghs dennoch wenig zu Spaziergängen. Es fehlt in der Nähe an Schatten, an ländlicher Lieblichkeit; doch findet man auch diese, wenn man sich nur die Mühe geben will, sie ein oder zwei Stunden weit aufzusuchen.

Das Pferderennen, das man wohl den Karneval der Briten nennen darf, erfüllte während der ersten Tage unseres Aufenthalts daselbst die ganze Stadt Edinburgh mit ungewöhnlichem Leben. Die Vergnügungen jagten einander in dieser Woche. Sonst lebt man hier stiller, einfacher als in London, mehr ein Familienleben auf deutsche Weise. Die Kinder werden nicht, wie es dort durchaus gewöhnlich ist, in Pensionen erzogen, sie wachsen im Hause unter den Augen der Eltern heran.

[Fußnote (1):Graf Artois als Karl X. König von Frankreich (1824-30).Gründung der Emigration mit Prinz Condé, nach dem Sturm auf die Bastille. Aufgrund dessen führte er meherere Feindhandlungen gegen Frankreich. 1795-1813 lebte er im englischen Exil von einer Pension, die ihm das englische Parlament bewilligte.]

[Fußnote (2): Im Temple in Paris wurden Mitglieder des Königshauses gefangengehalten.]