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Loch Tay

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Rast in Kenmore

Schauerlich ödes Tyndrum

In jedem Hause beinah hängt der Stammbaum der Familie, auf welchen sie oft mit Stolz blickten; gewöhnlich ist ein horizontal liegender geharnischter Ritter darauf abgebildet, der oft den Namen irgend eines alten schottischen, der Fabel halb verfallenen Königs führt. Aus seiner Brust sprießt der Baum, der sich in unzählige Äste verbreitet. Bekanntlich gibt´s nur wenige, aber unendlich zahlreiche Familien in Schottland, deren Glieder alle einen Namen führen, sich in allen drei Königreichen, ja sogar in der ganzen Welt ausbreiten, aber doch durch ein heiliges Band sich vereinigt fühlen und dies gewissenhaft anerkennen, wo sie sich treffen, wenn sie sich treffen, wenn sie sich auch vorher nie sahen.

In Kenmore nahm uns abermals ein guter Gasthof auf, umringt von etwa zwanzig solcher Hütten, wie wir oben beschrieben. Sie machten das ganze Dorf aus. So klein sind alle Dörfer, die einzelnen Wohnungen liegen sehr zerstreut, oft meilenweit voneinander.

Killin*

Eine sehr kleine Tagesreise von Kenmore liegt Killin. Von ersterem Orte an wurden die Felsen immer höher und wilder. Wir fuhren an ihrer Seite hin, fast immer im Angesichte des Stroms. Dieser ward nun zum See Loch Tay. Drohende, starre Felsen erhoben sich furchtbar über unserem Haupte, immer höher und höher übereinander, während wir den längs dem Ufer des Sees sich hinwindenden Weg verfolgten. Wolken in seltsamer Gestalt umlagerten die höchsten Gipfel der Berge und wogten im Winde, kamen und schwanden, alles um uns war feierlich, groß und einsam. Wir erstiegen, geführt von einem Einwohner des Tales, den Gipfel eines Berges. Unsere Führer nannten ihn uns Ben Lawers. Die Aussicht oben war eine der einsamsten der Welt, wir erblickten nur andere kahle, schauerliche Felsen und zwischen ihnen dunkle einsame Täler.Ben More, der höchste Berg in Schottland, drohte aus der Ferne, das Haupt in graue Nebel gehüllt. Herden von jenen kleinen Schafen, geführt von einem einsamen Knaben, belebten allein die feierliche Wüste.

Wir kehrten zurück zum Loch Tay und erreichten bald Killin, ein einsames, ziemlich ansehnliches Haus, umgeben von einigen, hart am Ufer des Sees erbauten Hütten. Die Flüsse Dochart und Lochay fallen hier in den See und bilden in sanften Krümmungen kleine Halbinseln. Das Tal, welches diesen einschließt, ist so grün, Bäume und Sträucher wachsen in so üppiger Fülle, wie wir es nimmer in diesem nördlichen Winkel der Welt erwarten konnten. Alles ist angebaut wie ein Garten, kleine wogende Kornfelder wechseln mit Kartoffelbeeten, und steinerne Einfassungen schützen die Felder gegen Beschädigung durch Tiere des Waldes und der überall weidenden Schafe. Hohe Felsen umgeben dies liebliche Plätzchen, als wollten sie es wie ein schönes Geheimnis den Augen der Welt verbergen. Lange hielt uns noch die herrliche Aussicht auf Fels und Tal am großen Erkerfenster im Gasthofe zu Killin fest. Sie ist als eine der schönsten in diesem Lande berühmt, wie unzählige Inschriften, in Prosa und in Versen, an diesem Fenster verkünden, und wahrlich, sie verdient diesen Ruhm.

Der See bildet gerade vor dem Hause eine kleine, wunderschöne Bucht, ein einsamer Kahn durchschnitt die silberne Fläche in mannigfaltigen Wendungen. Bäume und Sträuche spiegelten sich im klaren Wasser, die Felsen glühten ringsumher im Abendbrot, die Nebel, welche ewig ihre Gipfel umwogen, glänzten wie Purpur und Gold, und aus dem Kahn zu uns herüber tönten die klagenden Mollakkorde eines schottischen Volksliedes durch die feierliche Stille der sinkenden Nacht.

Während wir in stiller Freude an diesem Fenster verweilten, besorgten unsre treuherzig freundlichen Wirte alles auf´s Beste, wessen wir bedurften. Bald dampfte eine köstliche Lachsforelle auf dem Tisch, die Beute jenes Fischers, dessen einfaches Lied wir eben belauscht hatten. Diese Bewohner der schottischen Seen sind von einer ganz eigenen Gattung; sie verdienten wohl, dass unsere modernen Gastronomen einzig um ihretwillen Wallfahrten nach Schottland anstellten, denn selbst die berühmten Forellen in der Schweiz werden an Vortrefflichkeit von ihnen übertroffen.

Nahe bei Killin, auf dem Wege nach Tyndrum, kamen wir am folgenden Morgen an einem Wasserfall vorbei. Von einer beträchtlichen Höhe eilt er dem stillen Loch Tay zu, wild einherbrausend und schäumend über abgerissene Felsentrümmer. Seit Jahrhunderten schon glänzen seine Tropfen gleich Tränen auf den grünbemoosten Steinen eines ganz nahen Heldengrabes der Vorzeit, und sein Rauschen ertönt wie der Nachhall der Bardenlieder, die einst hier, mit ihm wetteifernd, die Taten des Toten besangen und seinen Geist in die ewigen Hallen der Väter geleiteten.

Weiterhin wurden die Felsen immer schroffer und höher, öder und einsamer die ganze Gegend umher. Wilde Bergwasser rieselten von allen Bergen und stürzten hinab ins Tal, durch welches bald silberhell, bald wild tobend ein starker Bach sich wand. Nur selten erinnerte uns in dieser Wildnis ein kleines Kornfeld, eine niedrige Hütte, dass in dieser abgeschiedenen Einsamkeit noch Menschen leben.

Hier erscheint die Natur, wie Ossian sie malte, die Ströme, die Felsen, die uralten einzelnen Eichen. Der Wind heulte über die Heide, die Distel wiegt ihr Haupt im Sturme am Grabe der alten Krieger. Die vier grauen, bemoosten Steine erheben sich noch einsam am Hügel der Helden und verkünden stumm dem stillen Wanderer die Geschichte vergangener Jahrhunderte. Viele solcher alten Denkmale sahen wir, von den Urenkeln der Helden, deren Asche sie umschließen, mit Ehrfurcht geschont und bewahrt. König Fingal ruht, der Sage nach, in diesem Tale, im tiefen, dunklen Bette, und die Einwohner glauben, die geheiligte Stätte noch bezeichnen zu können. Ossians, seines Sohnes, Name und Lieder sind zwischen diesen Felsen noch nicht verhallt, und die Geister der Helden können noch immer von ihrem Wolkensitze der alten wohlbekannten Töne sich erfreuen.

Wir erreichten Tyndrum, einen fast ganz allein liegenden Gasthof, in einer schauerlich wilden Einöde, auf der höchsten bewohnten Höhe der schottischen Hochlande. Der Regen stürzte jetzt in Strömen herab. lange sahen wir zu, wie die schweren Wolken an den Bergen hinrollten, einzelne Streifen von Sonnenlicht bisweilen auf Momente die nackten Gipfel der Felsen verklärten und der Wind den Regen wild herumpeitschte. Gegen Abend klärte sich das Wetter auf, wir erfreuten uns des wunderbaren Spiels der Wolken, der Wirkung des schnell erscheinenden und wieder verschwindenden Sonnenlichts an den Bergen. Im flachen Lande kann man sich keinen Begriff von diesen magischen Erscheinungen machen. Die schweren Regenwolken schienen wie eine dunkle Decke auf den höchsten Gebirgen zu lasten, leichteres Gewölk zog sich wie ein heller Schleier um andere, tiefere Berge, verdeckte sie in diesem Momente ganz, rollte sich dann zusammen und verschwand im nächsten, oder zog pfeilschnell dahin in wunderbaren Gestalten, im ewigen Kampfe mit Sonnenlicht und Sturm, unendlich wechselnd mit Licht und Farbenspiel.