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Edinbourgeoisie

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Edinburger Bürgertum

Die Stadt, die er darin beschreibt, das gesellige Edinburgh von 1736, hatte inzwischen verloren, was ihren Reiz ausmachte: das Zusammenwohnen der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Die Stadtväter »der malerischsten (von weitem gesehen) und schmutzigsten (aus der Nähe betrachtet) Hauptstadt«, wenn man dem englischen Dichter Thomas Gray Glauben schenken darf, hatten gegen 1760 beschlossen, die Architektur Edinburghs auf das Niveau der anderen Künste zu erheben, die das Renommee der Stadt ausmachten. Sie ließen den Nor´Loch trockenlegen, dessen Grund heute die Gärten der Princes Street und des Waverley Bahnhof bedecken, an dessen Nordufer James Craig den gitterförmigen Plan einer neuen Stadt zeichnete. Daraufhin gab es einen Sturmlauf, denn Bürger und Adel flüchteten aus ihren armseligen Behausungen in der Altstadt in die eleganten Patrizierbleiben, die Robert Adam, W.H. Playfair und Thomas Hamilton im reinsten neoklassizistischen Stil errichten ließen. Ihre viktorianischen Nachfolger bemühten sich vergeblich, die breiten Einfallstraßen und geräumigen Plätze durch neogotische Scheußlichkeiten schwerfälliger zu machten: die neue Stadt hat einfach ihren Stempel im George-Stil beibehalten.

Sie ist unbestritten einen Abstecher wert, alleine schon um den Blick auf das Schloß zu genießen, der sich von der Princes Street aus bietet, um die Harmonie der Nord-terrace, die gleichmäßige und eintönige Häuserreihe am Charlotte Square zu bewundern, um auf einem der Grünplätze zu picknicken, um die Nase in einen Antiquitätenladen oder ein Antiquariat zu stecken, um sich in der National Gallery aufzuhalten – reich an italienischen und flämischen Meistern sowie an englischen Landschaftsmalern und französischen Impressionisten – oder aber, um eine Runde durch die Pubs an der Rose Street zu drehen: durch einen recht schottischen Parallelismus bedingt, fehlen Kneipen in der respektierlichen Fassade der Princes Street, wohingegen sich fünfzig Meter dahinter, in der Rose Street, ein Pub ans andere reiht.

Wenig Arbeiter in dieser erhabenen Gegend. Der Festivalbesucher wird, wenn er mit dem Bus zwischen Schloß, Universität und den Pubs an der Queen Street hin- und herpendelt – dem Bereich, innerhalb dessen die meisten Veranstaltungen stattfinden – unter den Exemplaren der einheimischen Bevölkerung nur Geschäftsleute im Tweedanzug beobachten sowie Gentlemen im Kilt, die den Bürgersteig wie einen Exerzierplatz mit großen Schritten auf- und ablaufen, die Damen der Wohltätigkeitsvereine auf dem Weg zu ihrem Gemeindebasar, die brav antikonformistischen Intellektuellen des fringe (dem »Parallel«-festival), und das bunte Durcheinander der lokalen Kleinbürgerschaft, mit ihrer heiteren und etwas überlegenen Haltung. Smug, (selbstgefällig, eingebildet, dünkelhaft) würden die Glasgower sagen.

Nun repräsentiert die Mittelklasse, die in Edinburgh wie auch im Süden Englands triumphiert, aber nur einen Bruchteil der schottischen Bevölkerung. Seit gut hundert Jahren ist der typische Schotte Arbeiter bzw. Arbeitsloser. Falls der Besucher ihn in der Hauptstadt antreffen will, wird er entweder in Richtung der Satellitenstädte aus schwärzlichen Ziegeln wie Pilton, Craigmillar oder Broomhouse fahren müssen, oder hin zu den armseligen, viktorianischen Behausungen in Georgie-Dalry und Leith, in denen sich die Arbeiter vom Hafen, den Brauereien und den Werkstätten und Fabriken stapeln, welche die Spekulation aus der Stadtmitte vertrieben hatte; oder aber, wenn er eine Forscherader hat, wird er bis zur Hochburg der schottischen Arbeiterklasse vorstoßen müssen, Glasgow nämlich.