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Central Belt

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Regenreicher Aufenthalt in Glasgow

Weiterfahrt nach Lanark und Douglasmill

Glasgow ist weit lebhafter als Edinburgh, denn Handel und Wandel sind hier zu Hause; übrigens aber konnte uns niemand, soviel wir uns auch erkundigen mochten, irgend ein merkwürdiges Gebäude oder sonst einen Gegenstand angeben, welcher für ein nicht kaufmännisches Gemüt näherer Betrachtung würdig gewesen wäre. Wir ruhten also, im eigentlichsten Sinne des Worts, die wenigen Tage, die wir hier zubrachten; denn die Fabriken, die man uns zu zeigen sich erbot, wären doch nur Wiederholungen des schon Gesehenen gewesen. Dazu regnete es unbarmherzig die ganze Zeit über, wir sahen es mit Vergnügen regnen und dankten dem Himmel, dass er diese Sintflut nicht in den Hochlanden über unsere Häupter herabströmen ließ.

Unter den Einwohnern Glasgows war uns wohl: gastfrei, anständig, zwanglos im Umgange, gebildet, vereinigten sie die guten Eigenschaften, die wir schon an ihren Landsleuten rühmten, mit der Wohlhabenheit und allem vernünftigen Luxus, welchen der hier blühende Handel nur gewähren kann.

Die Fälle des Stromes Clyde*

Durch eine der reizendsten Gegenden Schottlands reisten wir weiter nach Lanark, um die berühmten Wasserfälle des Clyde zu sehen. Am Abhange hoher, zum Teil mit Wald bekleideter Felsen wand unser Weg sich hin; wir blickten hinab auf ein fruchtbar angebautes Tal, durchschlängelt vom schönen Strome Clyde; Gehölze, Äcker, Landsitze, Dörfer wechselten höchst anmutig.

An einer Stelle, wo dichtes Gehölz uns den Anblick des laut brausenden Stromes verbarg, stiegen wir aus und gingen einen sehr steilen und schlüpfrigen Flußpfad hinab bis an das Ufer des Stroms. Ganz in Schaum verwandelt stürzt er hier laut brausend von einer beträchtlichen Höhe hinab, über große Felsstücke, und windet sich dann zürnend und schäumend weiter durch das liebliche Tal. Die hohen, malerischen Felsen, bekränzt mit schönem Gesträuche und hohen Bäumen, von welchen wieder leichtere Efeukränze hinflattern in der vom donnernden Fall ewig bewegten Luft, die große Wassermasse, die hier herunterstürzt, der Kontrast des Schaumes, weißer als Schnee, mit dem dunklen, im ewigen Tau stets frischen Grün, die Millionen Tropfen, die wie Diamanten im Abendstrahle blitzten, alles entzückte uns und hielt uns lange fest. Wasserfälle soll man aber nicht malen, weder mit dem Pinsel noch mit der Feder; die Wahrheit dieser Bemerkung fühlt man am lebhaftesten, wenn man den Versuch wagt.

Ziemlich spät langten wie in Lanark an. Den folgenden Morgen setzten wir unsere Reise fort nach Douglasmill, zu den beiden anderen größeren Fällen des Stroms.

Die Gegend zwischen Lanark und Douglasmill gehört zu den schönsten im unteren Schottland. Eine Meile ging es über Berg und Tal durch frisches, dichtes Gehölz hin; nun erstiegen wir mühsam einen ziemlich hohen Berg, höhere Felsen drohten über ihm gen Himmel. Als wir oben waren, erschreckte uns die fürchterlich schönste Ansicht, die wir jemals sahen: jeder Blick hinab war schwindelerregend, und doch war´s unmöglich, nicht immer hinzusehen. Hart am Rande eines tiefen steilen Abgrunds fuhr unser Wagen, keine Handbreit Raum zwischen uns und dem schrecklichsten Untergange. Ein Fehltritt der Pferde, der kleinste Unfall am Wagen wäre unvermeidlicher Tod gewesen; es war unmöglich, den Wagen halten zu lassen, unmöglich an der Felsenwand, an welcher wir hinfuhren, auszusteigen; dennoch vergaßen wir alle Gefahr bei dem Anblicke des wunderschönen Tales, das uns viele Klafter tief im Glanze der Morgensonne entgegenschimmerte, durchströmt vom Clyde, der zögernd zwischen den blühenden Gärten und fruchtbaren Feldern sich fortwand.

Eine kleine Stadt liegt mitten im Tale, nicht weit davon drei oder vier große ansehnliche Gebäude mit schönen Gärten. Es sind Baumwollspinnereien, deren Maschinen hier wie in Perth vom Wasser getrieben werden. Wir sahen die Räder behend sich drehen, die kleinen Fälle, welche durch diese veranlaßt werden, blitzten wie flüssiges Silber; aber wir hörten nicht ihr Geräusch, es war zu tief unter uns.

Jetzt senkte sich der Weg den Berg hinunter; dichtes Gehölz empfing uns wieder in seine Schatten, laut hörten wir den Strom donnern, und bald hielten wir vor einem Garten stille. Wir traten hinein, erstiegen einen kleinen Hügel, und vor uns stürzte der Strom, weit wasserreicher und majestätischer als gestern, über wilde hohe Felsen; noch einige Schritte weiter hinauf, und wir sahen ihn abermals über noch höhere Felsen, in noch tiefere Abgründe gewaltig herabbrausen. Er fällt von einer so steilen Höhe, dass er einen Bogen bildet; wer es wagen will auf dem schlüpfrigen Boden, kann zwischen dem Felsen und der großen Wassermasse hingehen. Unten in dieser kristallenen Grotte ist man wie im Nixenreiche; es muß ein betäubendes Gefühl sein, dazustehen und dieses ungeheure Toben und Wogen über seinem Haupte, vor seinen Augen zu haben, ja von allen Seiten davon umgeben zu sein; aber selten nur wagt jemand sich hinab, der bloße Anblick des Wagestücks schreckt zurück.

Als wir den Garten verließen, fuhren wir an einem schönen Landhause vorbei, zu welchem er zu gehören scheint; wir wünschten dem Besitzer desselben Sinn für sein Glück.