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Bei den Schotten

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Schottland*

Edinburgh - neue und alte Stadt

Wo ist das Verkehrsamt?

Die Fahrt von Berwick nach Edinburgh, vierundfünfzig englische Meilen, fast immer im Angesichte des Meeres, wäre allein die Reise wert; von so seltener, wunderbarer Schönheit ist die Gegend, aber deshalb wohl umso unbeschreibbarer.

Bis dicht hinab an die Wellen der Küste bebaut wie ein Garten: Kornfelder, Wiesen mit Herden bedeckt, Obst- und Gemüsegärten wechseln, alles in der Pracht der üppigsten Vegetation. Dazwischen kleine Gehölze, duftende, blühende Hecken, und in ihrer Mitte Dörfer, die umso malerischer erscheinen, da sie schon ein ländlicheres Ansehen haben und nicht, wie die englischen, kleinen Städten ähnlich sind. Das Land ist nicht bergig, aber auch nicht flach; wellenförmig erhebt es sich zu kleinen Anhöhen und sinkt wieder zu lieblichen Gründen hinab. Freundliche, einzelne Landhäuser liegen überall zerstreut, ehrwürdige, efeubewachsenen Ruinen der Vorzeit erheben ihre alten Mauern und zeugen von vergangener Größe. Und nun noch der Anblick des Meeres, dieses ewig wechselnden Elements, das jeder Gegend, auch der ödesten, Leben gibt!

Kleine Inseln mit Leuchttürmen, entfernte blaue Felsen, die zackig und wild am Horizonte sichtbar werden, alles, alles vereint sich hier, um ein Ganzes voll wunderbarer Schönheit zu bilden. Zwei Lager, jedes von ungefähr dreitausend Mann, die eben hier die Küste bewachen, kontrastieren mit der ländlichen Anmut rings umher. Der Anblick dieser Krieger, ihre Zelte, ihre glänzenden Waffen und Uniformen, brachten ein neues, fremdes Leben in diese entzückende Gegend.

Schon hier, so nahe an der englischen Grenze, fiel uns der Unterschied zwischen dem englischen und schottischen Volke merklich auf. Freundliches, gutmütiges Zuvorkommen, Treuherzigkeit, verbunden mit großer, aber fröhlicher Armut, erinnerte uns immer an die Bewohner deutscher Gebirge. Schuhe und Strümpfe, ohne welche man in England keinen Bettler erblickt, sind hier schon hoher Luxus. Die arbeitende Klasse und der größte Teil der Kinder, selbst wohlhabender Eltern, laufen Sommer und Winter barfuß; vielleicht geschieht dies fast ebenso oft aus Gewohnheit als aus Armut; aber es fällt sehr auf, wenn man aus England kommt, wo dergleichen unerhört ist.

Edinburgh*

In keinem der vielen schönen Gasthöfe dieser Stadt konnten wir unterkommen. Es waren eben die letzten Tage der Woche, in welcher dort alljährlich Pferderennen gehalten werden. Wir fanden alles vollgepfropft von Fremden, die teils jenes edle Vergnügen, teils die es begleitenden Lustbarkeiten, das Theater, die Bälle, Konzerte und tausend andere Freuden herbeigezogen hatten. Da wir bald eine artige Wohnung bei einem Kupferstichhändler, einem der unzähligen Mackintoshes, fanden, waren wir es wohl zufrieden, das Volk einmal in seiner Nationalfreude zu sehen.

Die Stadt Edinburgh, von beträchtlicher Größe, ist eine der schönsten und häßlichsten Städte zugleich und verdient in dieser Hinsicht mit Marseille verglichen zu werden. Die Altstadt, ein grauen- und ekelerregender Klumpen alter, schmutziger, den Einsturz drohender Häuser, die anscheinen ohne Ordnung in engen, winkligen Straßen an- und übereinandergeworfen zu sein scheinen; die neue Stadt dagegen wetteifernd mit den schönsten Städten Europas. Edinburghs ganze Lage ist einzig in ihrer Art, von hoher romantischer Schönheit.

An den Seiten eines hohen Felsens, der sich an eine lange, majestätische Reihe anderer Felsen anschließt, liegen die Häuser der alten Stadt, wie Schwalbennester angeklebt, unter- und übereinander; einige dieser Häuser haben, von einer Straße aus gesehen, zehn Stockwerke, während sie von der anderen Seite deren nur zwei oder drei zählen, und man aus dem vierten oder fünften Stock der niedriger liegenden Seite auf der hohen geraden Fußes ins Freie in eine andere Straße geht. Wie krumm, wie eng, wie winklig der größte Teil dieser Straßen ist, läßt sich schwer beschreiben. Einige derselben führen steile und hohe Berge hinauf und hinab, auf die allerbeschwerlichste Weise. Auf den höchsten Gipfel dieser Felsenkette thront die uralte Wohnung der schottischen Könige, das Kastell, hoch über den Häusern der übrigen Einwohner. Eine tiefe Kluft, aus welcher jene Felsen steil, fast senkrecht emporsteigen, trennt die alte Stadt von einer Anhöhe, auf welcher die neue Stadt erbaut ist. Einige schöne steinerne Brücken führen hinüber und vereinigen beide Städte. Tief im Abgrunde sieht man von einer dieser Brücke Straßen, die dort unten liegen, wie im Erebus, denen Sonne und Mond fast nie scheinen, und deren Dächer noch lange nicht bis zu der Grundlage der Brücke hinaufreichen. Die Menschen, die dort wandeln, erscheinen, von oben gesehen, wie Gnomen. Es ist unbegreiflich, wie man im Angesichte der schönen, neueren Stadt diese unfreundlichen Wohnungen ertragen kann. Nur ein Teil dieser Kluft ist bebaut, der übrige wird zum Teil als Viehweide benutzt, zum Teil liegt er steinig und unfruchtbar da.