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Maria Stuart / John Knox

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Maria Stuart, die Grille ...

Gerade sechs Tage liegen zwischen der Geburt Maria Stuarts im Jahre 1542
und dem Tod ihres Vaters Jakob V., niedergeschmettert von der Auflösung
seiner Truppen bei der Schlacht von Solway Moss. Unter der Regentschaft seiner
Witwe Maria von Guise nimmt die Alte Allianz die Züge einer Annektierung
an: französische Regimenter werden in die meisten Garnisonen gelegt,
und Maria Stuart heiratet den Thronanwärter, aus dem 1559 Franz II. wird,
König von Frankreich, und – zusammen mit Maria – König von Schottland.
Ein recht langer Titel für eine so kurze Regierungszeit: Franz stirbt
im darauffolgenden Jahr. Maria Stuart, Witwe mit neunzehn Jahren, ohne Armee,
da die französischen Truppen Schottland beim Tode von Maria von Guise
abzogen, mittellos und fast ohne Freunde, kommt, um von ihrem Titel Besitz
zu ergreifen in ein Land, das im Begriff ist, völlig vom Protestantismus
einverleibt zu werden. Die katholische Kirche, von der Spitze bis zur Basis
korrumpiert und zermürbt, brach zusammen, ohne dass dabei Gewalt
angewendet werden mußte, oder jedenfalls kaum. Die Reformation bringt
insgesamt auf beiden Seiten neun Märtyrer hervor. Das Volk in den Lowlands
schließt sich scharenweise der reformierten Religion an, bald darauf
von einer erheblichen Anzahl Adeliger nachgeahmt und ermutigt durch Elisabeth
von England.

Maria Stuart, stürmisch und schlecht beraten, hat zudem Pech bei der
Wahl ihrer Ehemänner: Darnley, wetterwendisch und ein junger Gockel,
Mörder von Rizzio, dem Sekretär und Geliebten (?) der Königin;
dann Bothwell, ein alter Schönling, auf einfältige Weise hitzig,
Mörder von Darnley. Trotz einiger anfänglicher Erfolge und ihres
unbezähmbaren Mutes – sie flieht aus mehreren Festungen, sogar einmal,
als sie im siebten Monat schwanger ist; man zählt in Schottland fast
ebenso viele »Gefängnisse der Königin« wie in Frankreich »Kaiserbetten«
– muß sie den protestantischen Adeligen die Macht überlassen. Im
Jahre 1567 dazu gezwungen, unter dem Hohngeschrei des Volkes »Tod der Hure!«
abzudanken, sucht sie recht naiv Zuflucht bei ihrer Kusine Elisabeth. Die
jungfräuliche Königin gerät in ziemliche Verlegenheit, da für
das katholische Europa Maria die legitime Anwärterin auf die englische
Krone ist und läßt ihre Kollegin mit dem zu großzügigen
Temperament nach achtzehn Jahren Gefangenschaft enthaupten.

... und John Knox, die Ameise

Unter dem Antrieb von John Knox, einem in Genf ausgebildeten schottischen
Schüler Calvins, stattet sich die reformierte Kirche mit Institutionen
aus, von denen das Volk nicht ausgeschlossen wird: Wahl der Pastoren und der
Presbyterianerräte, die gefürchteten elders, durch die Pfarrgemeinde,
Vertretung der Laien in allen Instanzen der Hierarchie, sowohl auf lokaler
Ebene, die Kirk sessions, oder Kirchenversammlungen, als auch auf regionaler
mit Presbyterien und Synoden und nationaler Ebene mit jährlichen allgemeinen
Versammlungen. Jede Pfarrgemeinde muß im Besitz einer englischen Bibel
sein – es existiert keine schottische oder gälische Übersetzung
– sowie den Bau und Unterhalt einer Schule unterstützen, deren Besuch
für alle Jungen Pflicht ist, egal aus welcher sozialen Schicht sie stammen:
ein Stipendiatensystem sorgt für sie vor bis einschließlich zur
Universität.

Mit Sicherheit verwirklichten die Reformatoren eine Demokratisierung. Die
Wahl der Pastoren und Räte sowie die Arbeit der Kirk sessions
bildeten einen Kern lokaler Demokratie. Dadurch dass die Laien an der
Kirchenführung teilnahmen, hatten sie Anteil an der Landesregierung,
denn die allgemeine Versammlung wurde im Grunde genommen ein echtes nationales
Forum, um einiges repräsentativer als das Parlament. Die trotz anfänglicher
ziemlich starker finanzieller Widerstände weit verbreitete Bildung, welche
die Lowlander in eines der gebildetsten Völker Europas verwandelte, ließ
zahlreiche Talente aufblühen und begünstigte die soziale Mobilität.
Dagegen fügte die Reformation der überkommenen Kultur einen herben
Schlag zu, denn dadurch, dass das Englische dem Schottischen und Gälischen
gegenüber stark vorgezogen wurde und dass jene volkstümlichen
Kommunikationsarten, wie weltliche Musik und Gesang, Balladen, Tanz und Theater
verboten wurden, untergruben Knox und seine Jünger die Fundamente der
schottischen Kultur, was diese den Angriffen der Anglizisierung gegenüber
anfällig machte.