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Olympia

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Schöner Schein bei den Olympischen Spielen

Riesige Imagekampagne des Roten Drachen

Wie so häufig in den vergangenen Jahren steht China auch dieses Jahr wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das Reich der Mitte sitzt auf einer enormen Macht. Seien es die weltweit größten Währungsreserven, die Bestimmung der Euro- und Dollarkurse, der Titel des Exportweltmeisters, die tausenden Billigarbeiter … Überall mischen die Führer der KP (Kommunistische Partei) mit, nun auch bei Olympia.

Offiziell ist China Austräger der Olympischen Spiele, damit wir Westler Gelegenheit haben, diesem Land die Demokratie nahezubringen. Tatsächlich wird jedoch ganz etwas anderes dahinterstecken.

Das Datum der Olympiade (8.8.2008) galt bei Chinesen als besonders glücksbringend, da die Acht im Chinesischen eine ähnliche Aussprache hat wie "Reichtum". Das diesjährige Jahr lässt übrigens ebenfalls auf Mut, Unternehmergeist und Neuanfang hoffen, denn diese Symbole werden dem chinesischen Sternzeichen "Ratte", das dieses Jahr im Griff hatte, zugeschrieben.

Die Chinesen überlassen bei den Spielen jedoch nichts dem Zufall. Das Ziel war dabei nicht, sämtliche Medaillen abzuräumen, sondern sich der Welt im modernen Glanz zu präsentieren. Seht her, wir sind wie ihr, denken wir ihr, wir gehören zu euch! Folter, Umweltverschmutzung, blankste Armut und andere "Unannehmlichkeiten" fielen dabei unter den Tisch.

Die Olympischen Spiele fungieren als gigantische PR-Kampagne, um das Bild Chinas in den Köpfen der Menschheit umzuwandeln. Vergessen sind Mao, das Gemetzel von 1989, unterdrückte Wanderarbeiter, Umweltverschmutzung, Korruption und vieles mehr. Wer nach Peking reist oder die Spiele am heimischen Bildschirm verfolgt, der erwartet das Bild einer modernen Großstadt. Handys, Hochhäuser und hoher Lebensstandard sind ebenso vertreten wie bei uns, die Stadt schmückte sich seit Jahren mit moderner Architektur. Ihre Einwohner sind in der Lage, sich Auto, Wohnung, medizinische Versorgung zu leisten. Sie jubeln den Sportlern ebenso zu wie das übrige internationale Publikum, so dass der Eindruck enstet, China gehöre ganz selbstverständlich in den Kreis der Industrienationen. "Die Welt zu Gast bei Freunden", so der Spruch der letzten Fußball-WM, fand auch bei den Olympischen Spielen den richtigen Platz.

Im Taumel der Freude und Aufregung wird bei den Spielen niemand an innerpolitische Probleme Chinas denken. Man vergisst die Pressezensur der Monate vor den Spielen, vergisst die Ausbeutung der Wanderarbeiter, die sich eben dann in ihren Fabriken die Finger blutig schuften werden, wenn die Bevölkerung Pekings mit den Sportlern mitfiebert. Man vergisst die hingerichteten oder zu Krüppeln gemachten Menschenrechtsaktivisten, vergisst die Vertreibung Tausender beim Bau des Drei-Schluchten-Staudamms, vergisst die katastrophale Umweltverschmutzung. Im Sommer wird das Fernsehen einzig Friede, Freude, Freundschaft zeigen.

Beschönigung der menschenverachtenden Politik

Seit Jahren buddeln Bauarbeiter Pekings Glück entgegen. Straßenküchen, Geschäfte, Gebäude, ja ganze Viertel verschwanden für Blumenbeete und Parks, für Schnellstraßen, Prachthäuser, Hochhäuser … 1,25 Millionen Pekinger wurden für die Neubauten umgesiedelt. Andere, wie die Wanderarbeiter wurden man für die Zeit der Olympiade wahrscheinlich ganz aus der Stadt verbannen, um das makellose Bild nicht zu beflecken. Wen interessieren knurrende Kindermägen, Kranke ohne Geld für einen Arzt oder Familienväter, die ihre Angehörigen nicht ernähren können, obwohl sie täglich schuften? Zu den Olympischen Spielen wurde die Welt nur die Elite Chinas sehen, den kleinen Bevölkerungsschicht, die sich wie Westler zwischen Bildung und Konsum bewegt.

Die Führer begnügten sich jedoch nicht damit, Gebäude herauszuputzen, sondern feilen auch an der Bevölkerung. An jedem 11. Tag des Monats üben die Pekinger gelassenes Schlangestehen; Spucken wird bestraft; Taxifahrerinnen dürfen ihr Haar nicht zu grell färben; alte Männer haben sich ein T-Shirt überzuziehen, statt Oben-Ohne zu laufen. Rutschen die Pekinger bei den Spielen in ihre Gewohnheit von Schlachtgesänge und Schmährufen zurück, so werden Lautsprecher die obszönen Bemerkungen übertönen.

Eine halbe Million ausländische Besucher strömten in die Stadt, zwei Drittel der Weltbevölkerung verfolgten das Großereignis per Fernseher.

Nicht einmal der Gedanke an Umweltverschmutzung tauchtein Peking, einer der weltweit verschmutztesten Städte auf, denn die Führer traten mit Fabrikumsiedlungen, Autoverbot und neuen Bussen dagegen an.

Chinas Führer verschwiegen sorgsam die Kosten für alle Modernisierungen, um die arme Bevölkerung nicht in Rage zu bringen. Staatliche Medien berichten von 28 Milliarden Euro für Infrastruktur und Gebäude.

Ob China bei den Olympischen Spielen Medaillen errang, interessierte kaum einen der Führer. Von Bedeutung ist einfach das erreichte Ziel, das Image des Roten Drachen zurechtzurücken.

Aber betrachten wir die Sache ins rechte Licht. Die KP-Führer werden auch weiterhin nicht von ihrer menschenverachtenden und -abschlachtenden Politik abweichen, sondern sich einzig bemühen, ihre Gräuel vor der übrigen Welt zu vertuschen oder zu beschönigen. Man glaubt, China werde von seinem egoistischen Verhalten abstehen und erkennen, dass einzig ein sanftes Miteinander Fortschritt bringt. Doch nehme man die Politik nur ein wenig unter die Lupe und man merkt, wie man sich täuscht.

Die Welt reagiert mit gemischten Gefühlen. Viele forderten einen Boykott der Olympischen Spiele, andere rieten mit Gedanken an die Sportler davon ab. Diese bereiteten sich seit Jahren auf das Ereignis vor, fieberten der Chance ihres Lebens entgegen - Warum sollte man ihre Hoffnungen zerstören, wo doch sie an der Situation gänzlich unschuldig waren? Nicht sie haben den Austragungsort China gewählt. Vielen von ihnen bieten diese Spiele die letzte Möglichkeit auf einen Medaillengewinn.

Trotz der angespannten Lage entzündete man das Olympische Feuer in Griechenland. Befürworter der Spiele verwiesen darauf, dass ein Boykott hauptsächlich die Athleten treffe. Das Argument, man dürfe Olympia nicht als politisches Mittel benutzen, hält viele von einem Boykott ab. Doch wie Erfahrungen vergangener Spiele zeigen, sind sie längst zu einem (wirtschaftlichen) Mittel geworden. Vermutlich hielt nur der Gedanke an die enorme chinesische Wirtschaftsbedeutung viele vom offenen Protest ab. Es wird sich zeigen, ob die Olympischen Spiele noch einen Hauch von Gerechtigkeit haben, oder ob sie längst nichts mehr sind als ein lügenhaftes, einträgliches Produkt.

Dabei gilt es nicht, die Verantwortung eines Boykotts den Politikern und Sportlern aufzubürden, sondern sich selbstverständlich ebenso daran zu beteiligen. Wer einen Boykott fordert, im Sommer die Spiele aber im Fernsehen verfolgte, sollte sich Gedanken über die eigene Meinung machen.

Sportler oder Zuschauer sollten eins bedenken: So bedeutend wirtschaftliche und sportliche Interessen auch sind, wäre es sträflich, sie auf dem Rücken der Chinesen und Tibeter auszutragen. Millionen leiden unter der grausamen Tyrannei, haben jedoch nicht die Macht, den Führern einen Riegel vorzuschieben. Die übrige Welt hat diese Macht, weshalb sie auch alles daran setzen sollte, die Regenten von ihrer Bösartigkeit abzubringen. Wer jetzt zusieht, ohne zu handeln, macht sich desselben Verbrechens schuldig wie die Deutschen vor über siebzig Jahren, oder waren die Olympischen Spiele 1936 nicht auch eine PR-Kampagene?