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Vandalismus an Kunstwerken

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Italiens Kunstschätze in Gefahr

Zerstörer am Werk

Keine Ehrfurcht vor den Capolavori

Nach einer knappen Minute war die Hand des Meergottes weg. Ein Teil des berühmten Neptunbrunnens in Florenz, den Frühbarock-Baumeister Bartolomeo Ammanati von 1563 bis 1575 schuf, fiel einem Vandalen zum Opfer.


Alle Jahre wieder, wenn sich die Hitze bleiern über die italienischen Metropolen legt, schlagen sie zu: Die Kunstbarbaren, die aus Langeweile oder im Rausch wertvolle Monumente ins Visier nehmen.

Der aufsehenerregendste Fall ereignete sich 1972, als der Ungar Laszlo Toth in den Petersdom stürmte und Michelangelos Pietà mit einem Hammer zerstörte. Das Gesicht der Muttergottes wurde schwer beschädigt, ein Arm wurde abgetrennt. Ein italienisches Gericht erklärte den damals 33 Jahre alten Täter für verrückt.

Dennoch fragen sich Experten seither, was Menschen dazu verleitet, Kunstschätze zu entstellen. Ist es schiere Überwältigung angesichts der ungewohnten Pracht und Vollkommenheit? In den meisten Fällen spielen wohl eher Achtlosigkeit und Prahlerei eine Rolle, wie das Beispiel von drei Männern mittleren Alters zeigt, die 1997 auf der Piazza Navona in Rom den barocken Vier-Ströme-Brunnen von Bernini beschädigten.

Um Touristinnen zu imponieren, benutzten sie die Marmorfiguren des Kunstwerks als Sprungbrett - und zerlegten dabei prompt den Tierschwanz eines Meereswesens in Einzelteile. Die Männer waren sich keiner Schuld bewußt; es sei ja nur Spaß gewesen.

Der Haupttäter wurde zu drei Monaten Haft verurteilt, während sein Anwalt gleich Berufung einlegte, weil der Brunnen in einem so schlechten baulichen Zustand gewesen sei.

1991 traf es die wohl berühmteste Skulptur Michelangelos: Ein Serientäter ging in der florentinischen Galleria dell´Accademia mit einem Hammer auf den David los und schlug ihm die Zehen ab. Acht Jahre später bekritzelte der gleiche Täter in Rom ein Gemälde des abstrakten Expressionisten Jackson Pollock. Und so geht es weiter in der Liste des Kunst-Vandalismus, von Berninis Bienen-Brunnen an der römischen Via Veneto über die Eingangspforte des Mailänder Doms bis hin zu Gemälden von Henri Matisse, die ein Schulkind bei einer Sonderausstellung in Rom 1998 mit einem Stift durchlöcherte.

Das Ergebnis der Vorfälle ist, dass immer mehr italienische Kunstwerke hinter Panzerglas verschwinden, wie etwa die Pietà im Petersdom. Bis der Neptun in Florenz wieder mit seiner derzeit in Einzelteile zersplitterten Hand zu sehen ist, müssen Touristen unterdessen voraussichtlich bis zum nächsten Frühjahr warten.

Kunstexperten fordern nun härtere Strafen für die Kunstzerstörer. Die Beschädigung eines Meisterwerks dürfe nicht so lax geahndet werden wie etwa die eines Straßenschildes.

August 2005