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Einführung

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I. Einführung: Die Anomalien Italiens

Leo Kirch als Kanzler?

Im Referendum vom 12. Juni dieses Jahres entschied die Mehrheit der Italiener, dass der ehemalige und möglicherweise zukünftige Premierminister Silvio Berlusconi seine drei auf nationaler Ebene ausstrahlenden Fernsehsender Italia 1, Rete 4 und Tele 5 weiterhin betreiben darf. Eine Entscheidung, die aus deutscher Sicht - unabhängig von der persönlichen politischen Färbung - nur schwer zu verstehen ist. Denn das italienische Volk legitimiert damit indirekt einen der wichtigsten Politiker des Landes dazu, seine politischen Ideen via TV direkt in die Wohnzimmer zu transportieren.

Es ist kaum vorstellbar, dass in Deutschland ein Leo Kirch einmal Bundeskanzler wird, oder dass Helmut Kohl in seiner Stube in Oggersheim Werbevideofilme über sich produzieren und über die eigenen Privatsender ausstrahlen läßt. Es ist vor allem (heute) nicht vorstellbar, dass die Mehrheit der Bundesbürger einen so undemokratischen Zustand mit einem demokratischen Instrument, der Volksbefragung, ermöglicht. Gibt es also in Italien ein anderes Demokratieverständnis ? Ja.

Vetterleswirtschaft

Das Demokratieverständnis ist aber nicht die einzige politische Besonderheit, die Italien deutlich von den anderen Staaten Westeuropas unterscheidet und deswegen interessant macht. Der enorme Einfluß des organisierten Verbrechens in Politik und Wirtschaft , v. a. der Mafia, ist wohlbekannt aber schwer zu durchblicken - für alle Beteiligten. Nicht alles, was korrupt ist, ist jedoch gleich Mafia. Korruption ist in Italien eine gesellschaftliche Krankheit und v. a. ein System, an dem fast niemand vorbeikommen kann, der " nach oben " will.

Rekord: 50 Regierungen in 48 Jahren

Eine weitere Anomalie ohne Beispiel in Europa ist die Anzahl der Regierungen und Regierungskrisen seit dem Beginn der Republik. Von 1947 bis zum heutigen Tag sind es genau 50 Regierungen - in 48 Jahren! Bemerkenswert dabei ist, dass die Hauptakteure bis zum Zusammenbruch der Parteienherrschaft 1992 größtenteils dieselben blieben. Mal als Außen-, als Innen- oder Premierminister haben einige Politiker, wie bspw. Giulio Andreotti, trotz der regelmäßigen Krisen, über Dekaden kontinuierlich weiterregiert.

Das sonst im Umweltbereich so sinnvolle Recycling wurde hier konsequent angewandt, denn die Regierungskrisen führten nie zu einer politischen Alternative. Daraus folgt die vierte Anomalie: Einen Wechsel zwischen einer links-demokratischen und einer rechts-demokratischen Regierung sowie eine konstruktive dialektische Beziehung zwischen Opposition und Regierung - ersteres typisches Charakteristikum, letzteres unverzichtbare Bedingung parlamentarischer Demokratien - hat es im Nachkriegsitalien nie gegeben.

Faschisten an die Macht?

Die vorletzte Besonderheit ist die Tatsache, dass Italien als einziges Land in Europa, und das erste Mal nach dem Ende des Faschismus, 1994 unter Berlusconi wieder eine (wenn auch post-) faschistische Partei als Regierungsmitglied hatte.

Unbekannte Regenten

Sechste und letzte Anomalie: Italien hat derzeit eine Regierung, die ausschließlich aus Nicht-Politikern, sog. "Technikern", besteht und v. a. eine Regierung, die vom obersten Souverän, dem Volk, nicht legitimiert ist . Nebenbei, das ist eine Meinung, scheint es, dass keine der Regierungen der letzten Jahre faktisch so viel arbeiten und erreichen konnte wie diese, denn die politische Arbeit kann nun einigermaßen unabhängig von parteipolitischen Querelen und Zankereien erledigt werden. Diese gehen indes auf einer anderen Ebene weiter. Außerdem, und das könnte vielleicht die siebente Anomalie sein, verdankt die konservative Regierung Dini ihren Erfolg bei der Mehrheitsbeschaffung zu größten Teilen der Zustimmung der Mitte-Links-Parteien.

Sonderrolle Italiens in Europa

Diese Liste der Anomalien ist nicht systematisch, sondern willkürlich ausgewählt und ließe sich noch fortsetzen. Es geht primär um die Erkenntnis, das Italien aus den genannten Gründen eine absolute Ausnahme im Konzert der westeuropäischen Staaten darstellt. Eine Sonderrolle, die allerdings im allgemeinen als negativ betrachtet wird und überwunden werden muß, wenn Italien sich nicht von Europa verabschieden will.

In diesem Bericht sollen zunächst durch eine kurze Chronologie die wichtigsten Entwicklungspunkte der letzten Jahre dargestellt und der Streitpunkt "schon Zweite oder noch Erste Republik" vorgestellt werden. Des weiteren sollen die für die nächsten Wahlen wichtigsten politischen Führer Italiens Berlusconi, Prodi und Dini vorgestellt werden. Dann folgt eine Beschriebung der Außenpolitik und die abschließenden Bemerkungen.