Spätsommer

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Heimaturlaub in Deutschland

Altbekanntes Wiedersehen

Entdeckung der getarnten Flugangst

Im deutschen Spätsommer waren wir an der Reihe, unseren Heimaturlaub anzutreten. Immerhin gestand das Missionswerk seinen Mitarbeitern inzwischen zu, nach einem dreijährigen Aufenthalt vier Wochen in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. In Nagada lebte jetzt ein australisches Ehepaar, Ligita und Kym, mit denen wir uns befreundet hatten. Ligita erklärte sich bereit, mich im Gästehaus zu vertreten, einige Tage arbeitete ich sie ein, dann war sie so weit. Mir war ein wenig bange, denn ich fühlte mich inzwischen fast unentbehrlich, aber sie freute sich darauf, eine Aufgabe zu haben. Gatedai brachte uns zum Flughafen, und wieder einmal musste ich fliegen, um einen Ort zu erreichen. Wir hatten in Bangkok eine Zwischenlandung mit Übernachtung, meine Erinnerungen daran sind eher bizarrer Natur.


Beim Anflug nach Bangkok durchschauten Janna und Amos erstmals meine offenbar bisher perfekt getarnte Flugangst. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Amos seine Schwester mit dem Ellenbogen anstupste und auf meine, um die Armstützen geklammerten Hände mit weiß hervortretenden Knöcheln deutete. Start und Landung – dabei starb ich regelmäßig den Heldentod. So eindringlich ich mir auch klarzumachen versuchte, wie viel gefährlicher eine Autofahrt zu Hause war, so meldete sich die Erinnerung an mein Schlüsselerlebnis in Begesin stets aufs Neue. In Bangkok hatten wir Hotelzimmer mit Dusche und einer richtigen Badewanne. Janna konnte ihr Glück kaum fassen, und nahm an diesem Nachmittag und Abend mindestens drei Mal ein Bad, unterbrochen vom Schwimmen im hoteleigenen Pool, was sie ja zur Genüge kannte. Genüsslich ließ sie wieder und wieder Wasser in ihre Wanne laufen, ohne Angst, damit sparen zu müssen; sie gab Badesalz dazu und fühlte sich wie eine Luxuslady.


Michael machte sich auf den Weg, die Welt außerhalb des Hotels zu erkunden, wofür wir anderen viel zu faul waren. Bei der Rückkehr, so berichtete er, hätten ihm mehrere junge Männer ihre Schwestern, garantiert noch Jungfrauen, zum Sonderpreis angeboten. „He, du hast tatsächlich Chancen, da draußen die Welt zu erobern!“, konstatierten wir gemeinsam. „Willst du nicht noch mal losziehen und dir einen schönen Tripper holen?“ Selbst uns hatten die Buschtrommeln gemeldet, dass nach Bangkok die Lustbomber flogen, um als Tripperklipper zurück zu kommen.


In Deutschland bekamen wir vom Missionswerk die altbekannte, karg möblierte Wohnung gestellt, und verbrachten ein paar Wochen, in denen wir hauptsächlich Verwandte und alte Freunde besuchten. Wir mieteten uns einen Fernseher, um wieder Anschluss an die deutschen Gepflogenheiten zu finden. Michael wollte unbedingt deutsche Nachrichten sehen, in Niugini hatte er regelmäßig „Deutsche Welle“ aus Interesse am Geschehen in Deutschland gehört. Eines Abends saßen wir vor dem Fernseher und sahen die Tagesschau, da schaute ich ihn verloren an und sagte: „Sag mal, haben wir diese Nachrichten nicht schon vor drei Jahren gehört? Eigentlich hat sich nichts geändert. Ein paar andere Überschriften, ein paar andere Namen – aber eigentlich sind es doch die gleichen Nachrichten, die wir schon immer gehört und gesehen haben“. Seltsam berührt sahen wir einander an. Nach wie vor wurden in Deutschland die Ereignisse detailliert berichtet, der Aufbau der Geschehnisse war der gleiche, die Namen hatten sich geändert, aber die deutsche Art, sich in als berichtenswert eingestuften Einzelheiten zu ergehen, war geblieben. Die Freude am Fernsehen wich der Vorfreude auf Videoabende in Niugini.