Schattenseiten

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Missachtung der Regierung

Schatten über dem Paradies

Beschuldigungen der Dorfbewohner

Roswitha kam wie so oft zum Eiskaffee nach Amron. Sie berichtete, sie habe auf der Straße neben dem Markt in Madang eine Frau angefahren. „Eigentlich habe ich die Frau nicht wirklich angefahren“, erzählte sie, aufgewühlt von dem Erlebten. „Ich konnte wegen der vielen Menschen auf der Straße sowieso nur im Schritttempo fahren. Ganz plötzlich war da eine Frau mit ihrem bilum vor mir, die auf mein Auto zutaumelte, und dann ist sie an ihm hinab geglitten. Das Ganze geschah irgendwie völlig geräuschlos“.


„Na also“, entgegnete ich blauäugig, wie ich noch war, „daraus kann dir doch keiner einen Vorwurf dafür machen!“ „Oh doch, das können sie“, behauptete Roswitha mit tonloser Stimme, „die Sepiks können das, und wie sie das können“. Ihr Auto sei ganz schnell von einer Menschentraube umringt gewesen, die sie finster angestarrt hätte, sie, die reglos dasaß. Um die am Boden liegende Frau hätte sich niemand gekümmert.


Sie sei ausgestiegen, berichtete sie, wider jeglicher Vernunft, wider aller Warnungen der Regierung, habe sich zu der am Boden liegenden Frau hinuntergebeugt. Die hatte die Augen aufgeschlagen, sie habe ihr aufgeholfen, und die Frau habe gesagt, es sei alles in Ordnung. Aber da waren die wantoks der Frau anderer Meinung, die schrien nach kompensesen, nach Kompensation, Wiedergutmachung. Roswitha hatte einen in der Nähe stehenden Weißen gebeten, die Polizei zu verständigen, bald waren auch zwei Polizisten zur Stelle. Sie hatten die Frau in ihr Auto gepackt und ins Madang Hospital gebracht.

„Ich bin dem Polizeiauto gefolgt“, fuhr sie fort, „ein Wunder, dass die Sepiks das überhaupt zugelassen haben, sie hätten mich ja auch auf der Stelle totschlagen können, so geladen, wie sie waren. Aber die Gier nach kompensesen war wohl größer“. Im Krankenhaus hatte man in Gesprächen mit der Frau festgestellt, dass sie des öfteren an Ohnmachtsanfällen litt, sie sei manchmal unvermittelt für einen Moment nicht richtig da, hatte sie erzählt. Wieder meinte ich, das könne folgerichtig doch kein Mensch ihr, Roswitha, anlasten. „Mit Logik hat das ganze nicht viel gemein“, meinte sie traurig, „ich fürchte, da rollt eine Lawine auf uns zu“. Sie sollte leider Recht behalten.


Es dauerte nicht lange, da hatten die Leute der Sepiksiedlung herausgefunden, wem der gelbe Suzuki-Geländewagen gehörte, und wo die Besitzer wohnten. Eine Abordnung von Sepiks kam bald nach dem Unfall zu unseren Freunden nach Baitabag und forderte mehrere tausend Kina kompensesen für die angeblich schwer Verletzte. Keinem Argument zugänglich, blieben sie dabei, Roswitha habe die bis dahin gesunde Frau rücksichtslos angefahren. Zum Abschluss bedrohten sie die Familie, sie könnten keine Nacht mehr ruhig schlafen, wenn sie nicht zahlten, denn sie, die Sepiks, hätten weitreichende Verbindungen.