Trauer

Body: 

Alles hat seine Zeit

Irgendwann ist alles einmal vorbei

Zwiespalt zwischen zwei Veranstaltungen

Ich begleitete Michael nach Goroka, da er zu einer Kirchenkonferenz musste. Gleichzeitig fand die Goroka Show statt, bei der Gruppen aus dem gesamten Hochland ihre kultischen Tänze vorführten. Bei der Show fühlte ich mich stark an meinen Trip mit den deutschen Touristen erinnert. Was einmal Kultur mit tiefer Bedeutung gewesen war, wurde hier in einer großaufgezogenen Show an fotografierende Touristen verkauft, wobei zuzugeben ist, dass auch wir dem Fotografierwahn verfielen. Ich habe aber beim Fotografieren keineswegs so tiefe Bilder in mir aufgenommen wie bei dem Touristentrip, bei dem ich bewusst meine Kamera zu Hause gelassen hatte.


Allerdings hatte ich ein zusätzliches Handicap: mich plagte eine Amöbenruhr, die mir mächtig zu schaffen machte, was mich sicher auch nicht eben für Eindrücke offen sein ließ. Kaum hatte ich etwas zu mir genommen, war es, als stürzte sich eine wütende Armee darauf, die in meinem Bauch herumwühlte, es zermalmte und keine Ruhe gab, bis ich das Essen oder Getränk wieder als Wasser ausschied. Ich suchte einen Arzt in Goroka auf und bekam Tabletten, die nach Penicillin hoch drei stanken, aber nach einer Woche gurgelnden Wühlens in meinem Inneren war ich von den Amöben befreit.


An einem Nachmittag holte ich Michael von der Kirchenkonferenz ab. Während ich vor dem Haus auf ihn wartete, trat Ron, ein australischer Missionar, aus dem Gebäude auf mich zu. Etwas grünlich im Gesicht, stöhnte er: „Länger konnte ich diesen Anblick nicht mehr ertragen. Stell dir vor, da sitzt du stundenlang einem einheimischen Mann gegenüber, der auch noch der Präsident der Konferenz ist, und dieser Mann trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "I´m so happy I could shit all day!" Ich konnte nicht anders, ich musste einfach lachen, es platzte aus mir heraus. Ron sah mich zuerst empört an, aber als ich immer weiterlachte, fiel er plötzlich mit ein, und wir standen zusammen und prusteten, bis uns die Tränen kamen.


Wir wohnten in Goroka bei Ulrich und Helga, und, als wir Ulrich erzählten, unter welchen Umständen seine Schwester Roswitha das Land verlassen hatte, beschrieb er, wie auch er auf ähnliche Art und Weise jemanden in Goroka angefahren hatte: „Ich sah, wie ein Polizist einen Einheimischen verfolgte, der vor meinem Auto zusammenbrach, an ihm herunterglitt und zusammensackte. Ganz schnell umzingelte eine Menschentraube mein Auto, von der die Gefahr ausging, die mich zum Täter hätte stigmatisieren können. Der Polizist kratzte die Kurve, als er das sah. Er verschwand einfach in einer Seitenstraße“.


Wir konnten es kaum glauben, zu tief war die Polizei als Freund und Helfer in unseren Köpfen verwurzelt. „Wären da nicht ein paar Einheimische gewesen“, fuhr Ulrich fort, „die mich kannten, der Mob hätte mich mit Sicherheit totgeschlagen. Aber plötzlich umringten einige Männer mein Auto, die bestätigten, ich sei ja der und der, wobei sich die Menge nur widerwillig verzog“.


Dann kam der Brief von Ed und Estelle, den Hosteleltern in Ukarumpa. Er gab den letzten Ausschlag für unsere Feststellung, dass unsere Zeit in diesem Land abgelaufen war. Es hatte ein Treffen von Hosteleltern gegeben, stand in dem Brief, die Leitung der Schule habe in Erwägung gezogen, die körperliche Züchtigung einzuführen, denn – noch heute schrecke ich zusammen über die Rigidität der Begründung – auch der Herr strafe, wen er liebe. Natürlich, so schrieben Ed und Estelle, erwogen sie, nichts dergleichen im Hostel einzuführen, aber sie fühlten sich verpflichtet, uns die Überlegungen der Schulleitung mitzuteilen. „Oh nein“, sagte ich weinend zu Michael, „haben wir unsere Kinder ohne jegliche Schläge aufgezogen, um sie jetzt von diesen Frömmlern verprügeln zu lassen?“


Die High School in Ukarumpa wurde getragen von S.I.L., dem Summer Institute of Linguistics, einer kirchlichen Vereinigung aus den USA die in den einheimischen Dörfern das Leben mit den Bewohnern teilten und dabei deren Sprache erlernten, um später die Bibel in die jeweilige Sprache zu übersetzen. Eine durchaus ehrenwerte Sache, aber, wie so vieles, ausgeführt von Menschen, die irgendwann den Willen des Herrn mit ihrem eigenen zu verwechseln schienen.