Veränderungen

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Probleme mit Gästen

Heimweh, Traurigkeit, Wut oder Ohnmacht

Verhandlungen um ein Einzelzimmer, trotz ausgebuchtem Haus

Jimmy aus meinem Gästehaus rief abends in Amron an, er habe Probleme mit einem Gast, ich müsse kommen und schlichtend eingreifen. Spontan wollte ich sofort los. Michael fragte: „Bist Du des Wahnsinns fette Beute? Auf keinen Fall kannst Du in der Dunkelheit alleine nach Madang fahren!“ Erbittert fuhr er fort: „Denk mal daran, wie oft wir Janna nicht zu Geburtstagspartys ihrer Klassenfreundinnen gehen lassen konnten. Was haben wir schon alles gehört, das Weißen passiert ist in und außerhalb der Stadt!“ Ich hielt erschreckt inne. Wie oft hatte ich mich erinnert an die Aussage unseres Freundes in Deutschland: wohin ihr auch geht, ihr nehmt euch selber mit. Immer wieder, wenn Heimweh, Traurigkeit, Wut oder Ohnmacht mich zu ersticken drohten, hatte ich mich erinnert. Natürlich, jederzeit konnte da auf der Straße ein gefällter Baumstamm liegen – und das bedeutete Vergewaltigung, Ausraubung, Mord. Da half auch nicht das Verstehen der Umstände: dass hier von der Zivilisation gebeutelte Menschen am Werke waren, deren soziale Strukturen am Zerbersten waren. Es ging um mein Leben – und es schränkte mein Leben ein.


Wie oft war ich in letzter Zeit abends zu Bett gegangen, und hatte gebetet, Gott gib mir positive Gedanken, sonst erreicht der Schrecken auch uns. Die Weißen in Madang hatten längst begonnen, dicke Sicherheitszäune um ihre Häuser zu ziehen, ihre Fenster mit Eisenstäben zu sichern, so dass sie wie Gefängnisse wirkten. Permanent hatte ich mich geweigert, das für uns auch nur in Betracht zu ziehen. Wir lebten doch auf einer Missionsstation, wir mussten sicher sein, wenn wir es nur schafften, positive Gedanken zu bewahren. Bei uns brauchte ein raskol, Gauner, wie es sie inzwischen auch in Madang gab, nur seine Faust durch das Fliegengitter zu schieben, schon befand er sich in unserem Haus.


Aber Jimmy hatte mich gerufen, das tat er garantiert nicht ohne Grund. Michael ging über die Station zu Gatedai, kehrte mit dem Pickup zurück, auf dessen Ladefläche eine Gruppe von Studenten stand, die alle die Mama nach Madang begleiten wollten. Geschützt von lautsingenden Studenten, die eindeutig alle schwarz waren, konnte ich mich unbesorgt auf den Weg nach Madang machen.

Im Gästehaus traf ich auf Jimmy, im Aufenthaltsbereich heftig mit einem Amerikaner disputierend, der offensichtlich in meinem fast ausgebuchten Haus ein Zimmer für sich allein beanspruchte. Erleichtert kündigte mich Jimmy beim Eintreten als Mama des Gästehauses an. Sofort stach der große Mann mit erhobenem Zeigefinger auf mich zu: „Sie werben im Flughafen mit Übernachtung und Frühstück für zehn Kina!“, schrie er mich an, „mit keinem Wort erwähnen Sie, dass das Zimmer mit anderen Gästen zu teilen ist!“ Als ich erwiderte, dass man dies schon aus dem Namen Gästehaus ableiten könne und auf die diversen Hotels der Stadt hinwies, rief er, auf den an der Wand hängenden Belegungsplan des Hauses zeigend: „Legen Sie doch einfach ein paar andere Männer zusammen!“ Ohne Probleme könne er dann das Zweibettzimmer hier alleine bewohnen.


Keinem Argument war dieser Mann zugänglich. Wie sollte ich die Zimmerbewohner jetzt am Abend erreichen, wie ihnen plausibel machen, dass sie wegen eines einzelnen Mannes, der zu Gästehauspreisen ein Zimmer allein bewohnen wollte, heute noch umziehen sollten? Am Ende dieser absolut fruchtlosen Debatte gab ich völlig entnervt nach, ich rief bei Hugh im Coastwatchers am Ende der Straße an. Er gab dem Amerikaner ein Zimmer zum Vorzugspreis von zwanzig Kina, und der Widerling zog mit seinem Rucksack befriedigt von dannen. Auf der Rückfahrt mit dem Pickup konnte ich mich des Gefühls kaum erwehren, einem äußerst geschickt eingefädelten Trick auf den Leim gegangen zu sein.