Anstrebungen

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Zeit ohne Kinder

Hilfe beim Selbsfindungsprozess

Überlegungen, was man noch tun könne

Mein Bruder Klemens besuchte uns ebenfalls in den Osterferien. Wir waren begeistert über sein Kommen und eifrig bemüht, ihm all unsere schönen Orte zu zeigen. Wir fuhren die Nordküste hoch zum water hole, zeigten ihm den bunten Markt in Madang, wo ich an exotischen Früchten erstand, was zu haben war. Ich wollte ihm alles, alles bieten, was nur möglich war. Willig probierte er auch von allem, das Einzige, das er sich weigerte, auch nur zu versuchen, war mein geliebter sapsap, den lehnte er kategorisch ab. Ich habe inzwischen in einem Buch über Pflanzen der Tropen gelesen, dass diese Frucht, mit botanischem Namen Durian, wie keine andere die Menschheit spaltet und sogar in Teilen Südostasiens nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln mitgeführt werden darf.


Wir verbrachten mit Klemens einen wunderschönen Tag auf „unserer“ Insel, grillten und schnorchelten, Roswitha und Jochen kamen mit ihren Kindern und Kaffee und Kuchen dazu. Es wurde ein ganz besonderer Tag mit herrlichen Blödeleien auf Deutsch, aber auch in Tok Pisin, für das Klemens ganz schnell ein Gespür entwickelt hatte. Gegen Abend machten wir uns auf die Rückfahrt, und, wie es eigentlich hatte kommen müssen, setzte plötzlich der Motor des Bootes aus. Nun erlebte ich meinen Bruder, wie er leibte und lebte: „Siehste, es bassiärt immä wos!“, rief er im Dialekt des Ortes, wo wir aufgewachsen waren. Als Kinder hatte uns meine Mutter nicht erlaubt, diesen (zugegebenermaßen nicht gerade schönen) Dialekt, zu sprechen, und wir hatten ihn auch nur benützt, wenn wir sie ärgern wollten. Aber ihn jetzt, in dieser Situation, im Pazifik zu hören – ich brach vor Lachen fast ab. Natürlich brachte Michael irgendwann den Motor doch wieder in Gang; bis dahin badete ich mit meinem Bruder in den Sümpfen unseres Heimatdialekts.


Klemens, ein anerkannter Heilpraktiker in Hamburg, erklärte uns bei unseren Dinners, dass man Salat eigentlich vor den Hauptmahlzeiten zu sich nehmen solle, da er durch Vergärung im Darm abgebaut würde. Brav vertilgten wir nun unseren Salat als Vorspeise, nur am letzten Abend sagte Amos treuherzig am Tisch: „Aber, wenn Klemens abgereist ist, dürfen wir unseren Salat wieder zum Essen genießen?“


Wir waren eifrig bei der Sache, Klemens „unser Niugini“ von der besten Seite zu zeigen. Abends machte ich Wasser für seine Eimerdusche heiß, nachts stellten wir ihm den einzigen Ventilator, den wir außer dem Deckenventilator im Wohnzimmer hatten, vor sein Bett. Er machte die schönsten Fotos von Amron, vom water hole, von Sinub, die wir haben. Aber erst jetzt, da ich dieses reiche Leben mit seinen sinnlichen Farben und Gerüchen für meine Kinder aufschreibe, hat er mir gestanden, dass er sich in jeder einzelnen der zehn Nächte bei uns geschworen hat, am nächsten Tag in ein Hotel mit Klimaanlage umzuziehen.