Ausgebucht

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Eine andere Art, zu reisen

Mal was anderes sehen!

Reiseführer für eine Touristengruppe in Madang

Im Februar fühlte ich mich vollkommen ausgelaugt, denn mein Gästehaus war fast durchgehend ausgebucht, so dass auch unser Telefon zu Hause läutete und läutete. Ich, die ich mich so tief nach einer eigenen Aufgabe gesehnt hatte, musste eingestehen, dass meine Kraftreserven aufgebraucht waren. Eines Sonntags trafen wir uns mit Roswitha und Jochen mit all unseren Kindern in Nagada zum Baden. Sam, der Amerikaner, der mich anfangs in die Buchführung im Gästehaus eingewiesen hatte, trat dazu. Er war inzwischen Leiter von Kristen Pres, der Druckerei in Nagada. Als wir beim Kaffee am Strand zusammensaßen, entfuhr mir auf Englisch ein ziemlich bescheuerte Satz über meinen Gemütszustand, von dem ich nicht weiß, wie ich ihn übersetzen soll. Der Satz lautete in etwa so: „Ich funktionierere eigentlich nur noch“. Roswitha und Sam konnten fast nicht mehr mit dem Lachen aufhören, „Du meinst, Du funktionierst nur noch, aber jetzt willst Du auch noch überfunktionieren!“, riefen sie prustend. Ratlos schaute ich sie an, ich wusste nun ganz sicher, dass ich Urlaub brauchte, denn wenn mich auch noch meine Sprache im Stich ließ, war es Zeit zum Ziehen der Notbremse.


Anne erbot sich, das Gästehaus für eine Woche zu übernehmen, Michael traute sich eine Woche alleine mit Janna zu, sie hatten es schließlich schon zwei Wochen geschafft, als ich in Onerunka war. Ich telefonierte mit Marina und Gunnar, und am Montagmorgen in aller Frühe brachte mich Michael nach Madang. Ich wollte zum ersten Mal mit einem PMV, Public Motor Vehicle, einem Bus, die Fahrt von Madang nach Lae antreten. Aus Berichten unserer Studenten wusste ich, dass die PMVs immer nur vollbeladen ihre Fahrt antraten, sie nannten es „yumi bateri“, wir fahren eng zusammengedrückt wie Batterien in einem Apparat.

Diese Fahrt wurde zu einem der bizarrsten Erlebnisse, die ich je hatte. An der Stelle in Madang, an der die Reisewilligen sich einfanden, waren bei unserer Ankunft nur Einheimische zu sehen. Da waren bunt durcheinandergewürfelte Männer in laplaps, in shorts oder im Lendenschurz, daneben Frauen, die teilweise Grasröcke trugen, oder ebenfalls laplaps. Neben sich hatten sie bilums, prallgefüllt mit Gemüse stehen. Als der Bus kam, wurde erst einmal das Gepäck in seinem „Bauch“ verladen. Ein Mann, den ich dem Sepikgebiet zugehörig einordnete, wehrte sich energisch, einen zugeschnürten Jutesack, den er bei sich hatte, im Bauch des Busses verstauen zu lassen. Er schimpfte mit dem Busfahrer herum, bis dieser aufgab, und ihn mitsamt Sack in den Bus steigen ließ, wo er gleich ganz nach hinten auf die letzte Sitzbank zusteuerte.


Auf einem Platz in der Mitte des Busses fand ich mich eingekeilt in einer Dreierreihe zwischen zwei Frauen. Die eine bot mir gleich Betelnuss an, was ich dankend ablehnte, weil ich den Geruch der sich mit dem Kalk verbindenden Betelnuss nicht ausstehen konnte. Mit der anderen Mama teilte ich bald ihre mitgebrachten Sagokuchen und mein abgefülltes muliwara, ein Limonenwassergetränk, das so ziemlich überall in Niugini getrunken wurde. Übereinstimmend lehnten alle Passagiere das Einschalten der Klimaanlage im Bus ab, so dass die Betelnusskauenden ihren roten Brei immer, tief aus den Fenstern gebeugt, ausspucken konnten. Die Mamas, von denen ich mich schützend umringt fühlte, waren bald in einer lebhaften Unterhaltung miteinander. Ohne jegliche Vorurteile wurde ich miteinbezogen, mein Tok Pisin gefiel ihnen, und ohne, dass ich es bewusst wahrgenommen hatte, waren wir im Ramutal angekommen.


Unvermittelt hörte ich die neben mir am Mittelgang sitzende Mama „Eh, puk puk!“ schreien, und sah, auf den Gang blickend, dort kleine, vielleicht fünfzig Zentimeter lange Krokodile rennen. Sofort nahm ich in einer Schutzhaltung meine Füße hoch, auf das Unfassbare starrend – so klein die Dinger waren, ich hatte eine tiefsitzende Angst vor ihnen. Die Mama am Fenster murmelte etwas von „brauchst dich nicht zu fürchten, sind ja noch klein“, aber ich starrte wie gelähmt auf die „Ungeheuer“. Ein großes Gezeter hob im Bus an. Der Besitzer des Sackes auf der hintersten Sitzbank wurde von allen Seiten belehrt und beschimpft, bis er alle pukpuks, Krokodile, wieder eingesammelt und den Sack, dieses Mal hoffentlich sicher, verschnürt hatte.