Bucht

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Ein magischer Ort

Leuchtendes Korallenriff

Spannende Geschichten in traumhafter Umgebung

Irene machte uns auch aufmerksam auf das waterhole, eine Stelle an der Nordküste. „Ihr müsst zwar eine Stunde die Nordküste hochfahren“, sagte sie, „aber wenn Ihr dort seid, werdet Ihr sehen, dass es sich gelohnt hat“. Gleich am nächsten Sonntag packte ich uns einen Picknick-Korb, und wir holperten die Schotterstraße entlang der Nordküste. Allein die Fahrt war es schon Wert, dass wir uns auf den Weg gemacht hatten. Kokosplantagen säumten den Weg, abenteuerliche Brücken waren zu überqueren wie auf der Fahrt nach Lae, und der Weg kam uns vor wie eine Reise in ein Abenteuer. Wir wussten bei der Ankunft sofort, dass wir die richtige Stelle gefunden hatten. Vor uns lag eine kleine Bucht mit einem winzigen weißen Sandstrand und felsigem Boden, in dem sich ein paar knorrige Bäume als Schattenspender festkrallten. Der Pazifik leuchtete uns blau entgegen, von einem Halbrund weißer Gischt durchbrochen. Das war also das Korallenriff, von dem Irene gesprochen hatte. Dieses Riff machte die Bucht absolut sicher vor Haien, nur ungefähr in der Mitte war ein Loch – daher der Name waterhole, Wasserloch – , aber dieses Loch war gerade mal groß genug, um aus der Meerestiefe die Bucht mit frischem Wasser zu versorgen. Prompt stürzten sich Janna und Amos in das relativ kühle Wasser, tauchten nach dem Abenteuerloch, und hatten es im Nu entdeckt. Dieser Ort hatte eine magische Ausstrahlung, es zog uns immer wieder hin zu ihm mit seinem kühlen, klaren Wasser. Michael und ich entdeckten das Schnorcheln und damit eine ungeahnte, traumhaft schöne Welt unter Wasser. Da waren bunte Fische und Korallen in Regenbogenfarben zu sehen, Seesterne, Seegurken, wir holten rosa oder perlmutfarbene, glänzende Muscheln herauf, staunten aber vor allem über die Farbenpracht der Fische. Gelbschwarz gestreifte, kleine Fischchen begleiteten in einem Schwarm einen großen rötlichen Fisch, wir machten einander auf grellbunte Papageienfische aufmerksam – wir hatten nicht geahnt, dass etwas so wunderschön sein konnte.

So oft wie möglich suchten wir nun diesen magischen Ort auf. Einmal sah ich unter mir eine Tigermuschel auf den lebenden Korallen liegen, helle Tupfen auf dunklem Grund – die wollte ich unbedingt haben. Ich tauchte tief hinunter, näherte mich den sich sanft wogenden Korallen, als eine riesige, dunkle Muräne mit bitterbösem Gesicht aus einer Höhle auf mich zuschnellte. Noch nie habe ich mich schwimmend so schnell rückwärts bewegt, wie in meiner Angst vor diesem scheußlich aussehenden Tier. Am faszinierensten waren die Papageienfische, die in ihrer Farbenpracht Fröhlichkeit ausstrahlten. Immer, wenn wir nach Lae fuhren oder flogen, gingen wir chinesisch essen. Am meisten freute ich mich auf eine Fischspeise aus „rohem Fisch“, einer Fischart, die in einem säuerlichen Sud aus Ingwer und Zitrone gar gezogen wurde. Nachdem ich aber erfahren hatte, dass hierfür in der Hauptsache Papageienfische verwendet wurden, habe ich diese Speise nie wieder angerührt.


Immer wieder standen wir bei unserer Ankunft am waterhole staunend vor der kleinen Bucht und nahmen still den wunderbaren Blick in uns auf. Einmal trafen wir auf einen alten Mann, der im Schatten der Bäume saß und auf die Bucht blickte. „Abinun, Papa“, riefen wir höflich. Wir kamen mit ihm ins Gespräch, während die Kinder schon im Wasser plantschten. Der alte Mann erzählte uns, seine Augen hätten schon vieles gesehen, Gutes wie Schlechtes, er habe schon vor Trauer, aber auch vor Freude geweint. Mit träumender Stimme sinnierte er, auf das Wasser blickend: „Mein Großvater pflegte noch Menschenfleisch zu essen, und mein Sohn fliegt jetzt eine F 28, so ist das Leben“.