Entwicklung

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Ein anderes heißes Land

Musikgruppen singen amüsante Lieder

Große Veränderungen in der alten Heimat

Nach und nach erkannten wir, dass sich in Niugini einiges verändert hatte seit unserer Abreise vor acht Jahren. Die Sprache Tok Pisin ließ uns dieser Tatsache besonders deutlich bewusst werden. Kein Mensch wäre mehr auf die Idee gekommen, „rechts“ als han sut, die schießende Hand, zu bezeichnen, es hieß jetzt einfach nur rait, nach dem englischen right, wie wir enttäuscht erkannten. Anstelle des Stammesdenkens sprach man nun von wantok-Denken. Wantok, aus dem Englischen abgeleitet von one talk, eine Sprache, bezeichnete sowohl die Sippe oder den Stamm, als auch jemanden aus der Familie, oder auch nur jemanden, der die gleiche Sprache spricht. Auf dem Markt in Madang wurden wir, weil wir das alte Tok Pisin der 70er Jahre sprachen, von den Einheimischen als wantoks erkannt. Jahre später in Deutschland parkte ich in Würzburg auf einem Parkplatz mein Auto, auf der Rückscheibe klebte ein Papua Niugini-Aufkleber, als ein neben mir Parkender auf mich zustürzte und rief: „He wantok, warst du auch dort?“


Jetzt mussten wir erkennen: die ursprüngliche bildreiche Sprache hatte sich bereits zu Ungunsten einer „Verenglischung“ verändert, war aber in Madang und Umgebung noch am ehesten mit dem urtümlichen Tok Pisin, das wir gekannt hatten, vergleichbar. Aber auch hier bezeichnete niemand mehr einen Büroangestellten als susoken, einen, der Schuhe und Socken trägt. Ein Kino gab es jetzt nicht mehr in der Stadt, was wir auf die Tatsache zurückführten, dass die meisten Weißen und auch viele Niuginis sich in der Zwischenzeit auf Videos umgestellt hatten. Nun existierten dafür zwei Videotheken in Madang. In Chinatown, dem Stadtteil, in dem nach wie vor die Chinesen wohnten, hatten einige Secondhandläden eröffnet, in denen für wenig Geld zum Teil sehr schicke Kleidung zu erstehen war.


Der australische Dollar war bei der Unabhängigkeit abgelöst von Kina und Toea, nach einheimischen Muscheln genannt, auf der Staatsflagge prunkte ein Paradiesvogel neben dem Kreuz des Südens. Niugini wurde mittlerweile nur noch angeflogen von einer nationalen Fluggesellschaft, Air Niugini genannt, daneben wurden Inlandflüge von Talair geflogen. Von einer Gruppe junger Intellektueller wurde in Tok Pisin die Tageszeitung Wantok herausgegeben. Da sie zu Recht stolz waren auf ihre Bildung und diese auch zeigen wollten, trugen sie erheblich bei zur Anglisierung von Tok Pisin. Und noch eine wichtige Neuerung machten wir belustigt aus: der Begriff sori tru, tut mir wirklich Leid, wurde inzwischen verfremdet verwendet. Er wurde eher eingesetzt, wenn jemand zum Ausdruck bringen wollte: bist selbst Schuld, macht mir gar nichts aus, ist mir doch egal. In unserer Familie wurde nun viel wortspielerisch mit sori tru herumgeblödelt.


In Radio Madang wurden noch immer Lieder wie „Eh lukim em, sem bilong em, nogat sem bilong em! Eh, schau dir den an, seine Scham, der hat keine Scham!“ gespielt. Inzwischen waren richtig bekannte einheimische Bands dazu gekommen, die – Tok Pisin nutzend – ganz herrlich zweideutige Lieder sangen. So manches Mal stand ich mit Janna in der Küche, lauthals ein Lied der „Kalibobo Bamboo Band“ mitsingend, einer Musikgruppe aus der Madanggegend. Bei einem der Lieder schrien wir vor Lachen, als wir es zum ersten Mal hörten und die Zweideutigkeit erkannten: „Ich komme an meinen Strand, ich komme und sehe dein Gesicht. Oh, meine Mutter, ich war hungrig und habe eine unreife Papaya gegessen!“ Die unreife Papaya war, wie wir mit Sicherheit erkannt hatten, ein Synonym für eine noch nicht geschlechtsreife Frau, die der Sänger der Band „gegessen“ hatte.