Unerwartete Veränderung

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Probleme wegen der zu erwartenden Unabhängigkeit

Ein höchst merkwürdiges Pärchen zu Besuch in Begesin

Stetig steigende Flugangst wegen Flugzeugabsturz

Weiter, so warnten die beiden, hätten allein schon in Madang über vierhundert Weiße das Land aus Furcht vor der zu 1974 erwarteten Unabhängigkeit verlassen. Sie hatten im Hochland bei Missionaren übernachtet, die ihnen erzählt hätten, wie Stationsmitarbeiter um Aufnahme im Missionarshaus baten. Diese Menschen fürchteten sich davor, bei Beginn der Unabhängigkeit als „Weißenfreunde“ als Erste umgebracht zu werden. Klamme Gefühle bemächtigten sich unser bei diesen Schilderungen. Wir hier draußen in unserer Einsamkeit hatten keine Ahnung gehabt von all diesen Umtrieben, wir wähnten uns in unserer Stationswelt völlig sicher, und so schauten wir uns nach diesen Schilderungen höchst betreten an. „Was meint ihr“, fragte ich vorsichtig, „wenn es zu dem befürchteten Morden kommen sollte – wo würde es beginnen?“ Da waren wir uns schnell einig: wenn, dann wäre das in Port Moresby und in anderen großen Städten der Fall. „Genau das ist unser Problem“, sagte Michael trocken, „denn nur über die größeren Städte kommen wir von hier weg. Und nur über Port Moresby können wir das Land verlassen.“ Trotz alledem, befand ich am Ende dieses aufwühlenden Gesprächs, dieses Pärchen war ein höchst merkwürdiger Besuch. Als wir vor dem Zubettgehen noch eine Dusche nahmen, sagte ich kichernd zu Michael: „Hat dich diese große Frau nicht auch an eine Gottesanbeterin erinnert, die doch nach dem Geschlechtsakt bekanntlich ihren Partner tötet?“ Aufgewühlt durch die Gespräche und belustigt zugleich sanken wir an diesem Abend ins Bett.


Am nächsten Morgen, das seltsame Paar war nach dem Frühstück weitergewandert, besprach ich mit Michael, dass es nunmehr höchste Zeit sei, noch einmal vor Beginn der Regenzeit in Madang einzukaufen. Gleich am nächsten Tag sollte ein Flugzeug mit Fracht kommen, in dem ich mit Amos zurückfliegen und Vorräte beschaffen wollte.


Am folgenden Tag, das Flugzeug war bereits unterwegs, setzte ich mich an das Funkgerät, um dem Piloten einen Wetterbericht durchzugeben. Inzwischen musste das Radio vor Amos höllisch geschützt werden. Wann immer der kleine Racker sich nicht beobachtet fühlte, ging er an das Gerät, drückte den – leider auch noch richtigen – Knopf und rief: „Begesin, Roger Roger!“ Gerade hatte ich mit dem Piloten Funkkontakt hergestellt, als eine general message, eine allgemeine Durchsage, von der Funkzentrale in Kainantu gesendet wurde. Helga Schwan, eine andere Missionarsfrau, war in ihrem Flugzeug tödlich verunglückt. Sie war von ihrer Außenstation mit ihrer kleinen Tochter aufgebrochen, um ihre ältere Tochter im Internat in Wau zu besuchen. Gleich nach dem Start war in einer Flugschleife etwas schief gelaufen und die Cessna war abgestürzt; sie hatte sich wie ein Pfeil in die Erde gebohrt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich es geschafft habe, dem Piloten einen schlüssigen Wetterbericht durchzugeben und dann zum Flugplatz zu gelangen. Den Flug nach Madang habe ich nur „überstanden“, ständig wanderten Bilder von dieser Frau durch meinen Kopf, die ich gekannt hatte, und die es nun plötzlich nicht mehr gab. Von da an entwickelte sich bei mir eine sich stetig steigernde Flugangst.


Erst, nachdem ich wieder zu Hause in Begesin war, konnten Michael und ich in vielen Gesprächen versuchen, dieses tragische Geschehen zu verarbeiten. Wir waren heilfroh, dass Amos nichts von der Durchsage mitbekommen hatte und sich so seine völlige Unbefangenheit gegenüber dem Fliegen erhalten konnte. Denn, um in die Welt „da draußen“ zu kommen, mussten wir nun mal fliegen.