Falsche Einschätzung

Body: 

Falsche Vorstellung vom Weg

Misserfolg der Suchaktion durch falsches Vorgehen

Spuren der Wanderung noch Wochen danach sichtbar

Bei einem Kaffee erzählten wir einander, wie es uns ergangen war, und ich erfuhr nun endlich Michaels Anteil der Geschichte. Er hatte, wie ausgemacht, seinen Rucksack mit diversen Flaschen alkoholischer Getränke gefüllt, die erfahrungsgemäß von den kiaps getrunken wurden. Gleich nach seiner Ankunft hatte er seinen Cousin Ulrich angerufen, bei dem wir gewöhnlich übernachteten, wenn wir in Madang waren. Er war Tante Bertas und Onkel Hermanns Sohn, war in Niugini aufgewachsen und lebte jetzt als Stadtmissionar mit seiner Frau Helga und den beiden Söhnen in Madang. Michael hatte mit den beiden noch eine Tasse Kaffe getrunken und ein wenig getratscht, danach hatte Ulrich ihn mit seinem Auto bis ans Ende der ausgebauten Straße gebracht, so weit es nur irgend möglich war. Beide waren der Meinung, in den sieben Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit, müsse der Weg bis Begesin zu schaffen sein. Dann war Michael mit seinem schweren Rucksack losgezogen. Zunächst sah es auch so aus, als hätten sie mit ihrer Einschätzung der Lage richtig gelegen, und Michael kam zügig voran. Die ersten Flüsse konnte er noch mühelos durchwaten. Aber nun kam er in eine Gegend, in der es offensichtlich schon mehr geregnet hatte als bei uns. Einige Flüsse, von denen er vermutet hatte, sie leicht durchqueren zu können, bereiteten ihm ernste Schwierigkeiten. Die Buschpfade in dieser Gegend waren bereits viel glitschiger als erwartet, und zwangen ihn zu mehr Vorsicht. Später wieder kam er schneller voran. Als er noch, wie er einschätzte, eine gute Stunde von Begesin entfernt war, kam die Dämmerung, und ihm wurde bewusst, dass er sich vor Einbruch der völligen Dunkelheit nach einem Unterschlupf für die Nacht umsehen musste. Zum Glück hatte ihm Ulrich „für alle Fälle“ eine Kerosinlampe mitgegeben, nur an etwas zu Essen hatten sie beide nicht gedacht.

Rasch fand er ein Gartenhaus in einem der Buschgärten, was ihm deutlich machte, dass er nur noch eine Stunde Fußweg von der Station entfernt sein konnte. Aus weiter Entfernung vernahm er nach einer Weile laut rufende Stimmen. Er eilte mit seiner Kerosinlampe nach draußen, sah am Berghang Menschen mit Lichtern, und beantwortete die Rufe, seine Lampe hin- und herschwenkend. „Aber“, meinte er jetzt, „die müssen so beschäftigt gewesen sein mit Rufen, dass sie keine Pause gemacht haben und so meine Antwortrufe gar nicht hören konnten!“ Nach diesem Misserfolg hatte er sich über die Flasche Martini hergemacht – „zumindest die habe ich nur halbvoll hertragen müssen“, meinte er nun grinsend – und eine unruhige, hungrige Nacht verbracht. Gleich bei Morgengrauen war er aufgebrochen – den Rest der Geschichte kannte ich. Wir nahmen uns fest vor, nie wieder so leichtfertig zu handeln, allerdings konnten wir der Ankunft der kiaps jetzt gelassener entgegensehen. Noch nach Monaten erzählten die Schürfwunden an Michaels Rücken von diesem verrückten und gefährlichen Unterfangen.Dennoch, der Besuch der Kiaps wurde dadurch zu einem unvergesslichen Erlebnis. Sie konnten ihre gewohnte Menge an Alkohol zu sich nehmen, wobei sie immer witziger wurden, und bei einem Fondueessen wollten Begeisterungsrufe wie, „astonishing, great, terrific“ nicht mehr abreißen. Im Verlauf des Abends steigerten sich die Redseligkeit und Lustigkeit der kiaps, die Geschichten erzählten, bis wir Tränen lachten.