Wiedersehen

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Alte Bekannte aus Lae

Kaum vorstellbare Umstände

Plüderungen und Morde an der Tagesordung

Es ist schwer zu beschreiben, wie wir die Familie vorfanden, mit der wir schon so vieles geteilt hatten. Marina und Gunnar stürmten bei unserem Hupkonzert aus dem Haus, ihre Kinder flogen schluchzend in unsere Arme, wir alle standen lange ineinander verschlungen wie ein Menschenknäuel vor dem Haus. Das waren nicht mehr die gleichen Menschen, von denen wir uns in Port Moresby getrennt hatten, wir begegneten sechs nach Aussprache hungrigen Menschen. Nach und nach brach beim Abendessen aus allen das zurückliegende Erlebte heraus, wir saßen als fassungslos staunende Zuhörer mit ihnen an einem Tisch, es war, als erlebten wir eine Eruption. Von Überfällen auf Weiße hörten wir, die offensichtlich in Lae an der Tagesordnung waren, von so genannten raskols, Gaunern, die mit ungeheurer Brutalität Menschen, insbesondere Weiße, überfielen und ausraubten. Einer, ein ehemaliger raskol, war Mitglied in Gunnars Kirchengemeinde. Dieser junge Mann hatte der Familie eindrücklich beschrieben, wie wenig ein Menschenleben diesen Gruppen bedeutete. Sie mordeten jeden, der ihrer Gier nach Teilhabe am Reichtum der Weißen im Wege zu stehen schien. Wie damals in Aseki redeten und redeten wir, nur waren dieses Mal wir hauptsächlich in der Rolle der Zuhörer.

Das vor uns aufgebaute Szenario überstieg fast unser Vorstellungsvermögen. Sie berichteten von Überfällen in ihrem Stadtviertel, und wir hörten fassungslos zu. Jederzeit mussten sie damit rechnen, als Nächste überfallen und ausgeraubt zu werden. Gunnar, da blieb uns fast der Atem weg, schlief mittlerweile mit einem Buschmesser neben dem Bett. Marina schlich mindestens drei Mal nachts zu ihren Kindern, um zu sehen, ob sie noch am Leben waren. Der ehemalige raskol hielt abwechselnd mit einigen anderen nachts vor ihrem Haus Wache. An diesem Abend fielen wir wie betäubt ins Bett. Das Gehörte erschien uns so unwirklich, wir konnten es in keiner Weise in etwas uns Bekanntes einordnen.


Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Kleinbus der Familie nach Lae einkaufen, und Michael und ich konnten in der Stadt nichts feststellen, was Rückschlüsse auf die Schilderungen vom Vorabend zugelassen hätte. Janna und Thalina, die zweite der Töchter unserer Freunde, hatten sich geweigert, uns zu begleiten. Endlich hatten sie einander wiedergefunden. Sie wollten unbedingt ihre Phantasiewelt miteinander weiter ausbauen. Nach langem Zögern entschlossen wir uns, die beiden kleinen Mädchen unter der Obhut von Marinas Hausmädchen zurückzulassen. Michael und ich hatten den Eindruck, die Welt sei hier genauso heil wie in Madang, nur städtischer, hektischer kam uns alles vor im Vergleich zu unserer verträumten kleinen Hafenstadt. Der Markt in Lae war nicht zu vergleichen mit dem in Madang; hier lagen die Früchte- und Gemüsesorten nicht malerisch ausgebreitet auf Bananenblättern auf dem Rasen, sondern zweckmäßig gestapelt auf Betontischen. Auch die flatternden schwarzen Wolken der fliegenden Hunde fehlten uns, die Menschen erschienen uns angespannter und unfreundlicher, sowohl im Umgang untereinander als auch in dem mit Weißen.