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Taormina

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Taormina (Vorwahl: 0942)

Zu Gast bei der Schickeria

Glanz und Glamour

Das Aushängeschild für Nobeltourismus in Sizilien könnte man als »Saint-Tropez auf einem Bergsockel« bezeichnen, wenn nicht jeder Vergleich hinkte. Metapher beiseite: es stimmt, dass Taormina für alle Ursprünglichkeit Suchenden keinen Pfifferling wert ist: allzu sauber und geleckt kommt diese Touristenstadt daher. Und doch wäre es unverzeihlich, auf dem Weg von Messina nach Catania oder Syrakus nicht den drei Kilometern langen Schlenker von der Küste den Berg hinauf zu unternehmen. Es genügt ja, sich für ein paar Stunden verführen zu lassen, ohne gleich rettungslos auf der Strecke zu bleiben. Denn dies bekäme auch der Reisekasse schlecht.

Die mittelalterliche Stadt versinkt in einem Meer von Blumen und beschert ihren Besuchern atemberaubende Blicke über die sizilianische Landschaft und übers Meer. Von dieser Seite betrachtet, hat sich Taormina etwas Frisches, Natürliches bewahrt. Mit anderen Worten: die Frucht weist eine schöne Glasur auf, ohne im Inneren allzu faul zu sein.

Wie schon Guy de Maupassant Ende des vorigen Jahrhunderts treffend bemerkte: »Wenn einer nur einen Tag in Sizilien verbringen dürfte, und wüßte nicht, wo, so würde ich ihm ohne zu zögern antworten: in Taormina. Dieses Dorf ist ein Gemälde, aber eines, auf dem man alles gemalt findet, was dazu angetan ist, auf Erden unsere Augen, unseren Geist und unsere Fantasie zu verführen.«

Taormina erfreute sich Ende des vorigen Jahrhunderts aus zwei Gründen hoher Beliebtheit: zum einen war es der ersehnte Ort der Romantiker. Zur damaligen Zeit nahm man zwar keine Bäder im Meer - man ertrank allenfalls darin, wie Shelley bei Viareggio - aber man besang die erhabene Landschaft und alten Steine. Für diesen Bedarf war Taormina ein Geschenk des Himmels, da man vom römischen Theater aus »von den Felsen herunter das Meer betrachten und träumen« konnte.

Zum anderen war Taormina eine Insel der Promiskuität. Freie Bindungen und Homosexualität brauchten nicht schamhaft bemäntelt zu werden. Das ganze libertinistische Europa pilgerte zuhauf hierher, allen voran von Gloeden, jener alte Preuße, der mit Vorliebe junge Schäfer entblößt vor verrückten, neoromantischen Hintergründen ablichtete. Die Bilder wurden Renner. Die Reproduktionen sind übrigens in Taormina bei Nino Malambri zu erstehen, am Corso Umberto 158. Auf alle Fälle interessant zu sehen.

Geschichtliches

Ohne Fremdenverkehr, also unsereins, wäre Taormina nach der Normannenzeit in der Bedeutungslosigkeit verharrt. Aber hübsch der Reihe nach: die Anfänge Taorminas gehen auf eine sikulische Ansiedlung auf dem Monte Táuro zurück, wo sich später auch die Akropolis der Griechen erhob. Die mischten seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. an dieser Stelle der sizilianischen Küste mit, wo besonders Flüchtlinge aus Naxos eine neue Heimstatt fanden. 902 zerstörten die Araber die griechisch-römische Stadt, die sich rund um das erhaltene Griechische Theater erstreckt haben dürfte. Und wie das nun mal so ist, wollten sie »etwas Eigenes« schaffen: in Gestalt einer neuen Stadt rund um die heutige Hauptkirche. Dieser erging´s auch unter den Normannen nicht schlecht; nach deren Abtreten von der geschichtlichen Bühne allerdings machte sich in Taormina Stagnation breit, bis, wie bereits angedeutet, der Fremdenverkehr dem Dornröschenschlaf ein Ende bereitete.