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Der Ätna

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Ätna – lebendiger Vulkan Siziliens

Der Riese wächst

Größter Vulkan Europas, einer der aktivsten (und damit gefährlichsten) auf der Erde. Hier ein paar Zahlen, um sich eine Vorstellung von diesem »Riesenpickel« zu machen, der an der Osthälfte einer der schönsten Mittelmeerinseln haftet: der Ätna bedeckt eine Fläche von 1.570 km², bei einem Umfang von fast 200 km und einer Höhe von ungefähr 3.400 m über NN. »Ungefähr« nicht etwa deshalb, weil wir zu bequem wären, im Atlas nachzuschlagen, sondern weil letztere schwankt: je nachdem, wieviel Geröll der Vulkan zuletzt ausgehustet hat. Man schätzt, dass er seit Beginn des 20. Jahrhunderts um stolze 60 m gewachsen ist.

Wie alles begann

Heimat der Zyklopen, die aus Zeitvertreib (oder um sich bei unhöflichen Zeitgenossen aus Ithaka zu rächen) Felsbrocken ins Meer warfen; Werkstatt des Vulcanus, des ursprünglich etruskischen Feuergottes, der dort die Waffen Jupiters schmiedete; Wohnsitz des Riesen Typhon und des Adramos, Herr über die Eingeweide der Erde: auf dieses geologische Monster, das vor ein paar Jahrtausenden bei einem Vulkanausbruch unter Wasser entstanden sein soll, spielt die Mythologie wiederholt an. Schon die tollkühnen Seefahrer der Antike, die auf Sizilien anlegten, waren davon überzeugt, sich am Rande des Infernos zu befinden oder gar dem Beginn der Apokalypse beizuwohnen.

Alle großen Reisenden fühlten sich seitdem vom Ätna magisch angezogen. Man denke nur an Johann Wolfgang Goethe, zu dessen Zeit sich noch ein Streit über die »Vulkanität der Basalte« entzündet hatte. Ihm wurde von einem einheimischen Ritter, den er »um die Mittel befragte, wie man sich benehmen müsse, um den Ätna zu besteigen«, beschieden, dass Fremde die Sache häufig allzu leicht sähen und dass manch einer es nur bis in eine gewisse Höhe des Feuergipfels geschafft habe. Goethe machte sich mit seinen Begleitern am nächsten Tag zeitig auf den Weg, »auf Maultieren immer rückwärts schauend« - eine originelle Art der Fortbewegung, nicht wahr? - und hinterließ der Nachwelt eine plastische Schilderung der »unbändigten Laven« und »zackigen Klumpen« unterhalb des Monte Rosso, nicht ohne eigens zu erwähnen, wie der stürmische Morgenwind fast seinen Hut in den Krater getrieben hätte. Kein Wunder, bei der breiten Krempe! Auch sah sich der Dichterfürst genötigt, seinen Mantel abzulegen, um einigermaßen fortzukommen. Derlei Probleme sind uns heute zum Glück fremd ... Den Gipfel erreichte Goethe dennoch nicht, weshalb wir uns in bester Gesellschaft wähnen dürfen, so uns der komplette Aufstieg wegen widriger Wetterverhältnisse ebenfalls nicht vergönnt sein sollte.

Erteilen wir das Wort auch noch dem schreibenden Kollegen Alexandre Dumas, jenem Weltenbummler (bevor es dieses Wort gab), dessen Reisebeschreibungen die literarische Qualität seiner Romane erreichen: »Nichts ist damit zu vergleichen, was man vom Gipfel des Ätna sieht. ... Nie habe ich Gott von so nahe gesehen, und infolgedessen nie so groß.«

Der Ätna ist auch Schauplatz der Legende vom »Kastanienbaum der hundert Pferde« (Castagno dei Cento Cavalli) - Einzelheiten in der nächsten Auflage - in dessen Schatten Königin Giovanna von Anjou mit hundert Rittern rastete.

Der Ätna heute

Ungeachtet der ständigen Eruptionsgefahr weisen die Hänge des Vulkanmassivs die höchste Bevölkerungsdichte Siziliens auf, da die Lava besonders fruchtbar ist. Bis etwa 1.300 m wechseln sich Apfelsinen- mit Zitronenplantagen ab. Bis 2.000 m findet man ginster- und waldbedeckte Flächen. Ab 2.000 m lassen die regelmäßig herabfließenden Lavamassen keinen Pflanzenwuchs mehr zu. Sieben Monate im Jahr ist der Vulkan schneebedeckt.

Über den Tomatenanbau an den Ätnahängen haben wir uns bereits im Eingangskapitel unter »Landwirtschaft« ausgelassen.

Wir könnten jetzt alle Katastrophen aufzählen, die der Bevölkerung im Umkreis des Ätna das Leben schwer gemacht oder für immer geraubt hat, werden uns aber auf den Hinweis beschränken, dass der unberechenbare Busche seit einigen Jahren wieder gefährlich brodelt. Als der Vulkan von November 1991 bis März 1993 wieder einmal aktiv war, drohte ein Lavastrom das Städtchen Zafferena Etnea zu erfassen, konnte aber dank vulkanologischer Fortschritte umgeleitet werden. Die Vulkanologie, eine neuere Wissenschaftsdisziplin, wird in Zukunft hoffentlich ein Unglück vermeiden helfen, wie es vor drei Jahrhunderten in Catania eintrat.