Geschwächt

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Unvergesslich würzige Luft

Malariaanfälle häufen sich

Kleine Reise von Mount Hagen nach Tiripini

In den folgenden Wochen hatte ich immer häufiger unter Malariaanfällen zu leiden. Sie kamen wie eine Heimsuchung in Abständen von etwa vier Wochen. Kaum hatte ich mich von einem Anfall erholt, glaubte, wieder zu erstarken, schon kam der nächste mit seinen üblen Begleiterscheinungen. Dann hatte ich einen Abgang – das, was ein neues Menschenleben werden sollte, blutete einfach aus mir heraus. Ich begann, mich wie eine uralte Frau zu fühlen. Zur Versorgung meiner Kranken schleppte ich mich am Haus entlang zur dispensary, ich versorgte meine Patienten weitgehend im Sitzen. Manchmal wollte ich meinen Zustand nicht mehr wahrhaben, nahm innerlich Anlauf, und besuchte wieder die Mamas zum Teetrinken. Aber allein ein Gang über die Station kostete mich meine ganze Kraft, die bunte Natur um mich herum konnte mich nicht mehr ansprechen, das Leben hatte keine Farben mehr.


Michael vereinbarte am Funkgerät mit einem Freund, der auf einer Außenstation im Hochland lebte, dass wir für drei Wochen bei ihm und seiner Familie Urlaub verbringen würden. Schon die Aussicht, die brütende Feuchthitze verlassen zu können, ließ mich aufleben. Wir flogen nach Madang und von dort weiter nach Mount Hagen. Als wir dort im Hangar auf Joachim warteten, ließ ich mich auf eine der herumstehenden Holzboxen sinken und seufzte: „Hier möchte ich ewig sitzenbleiben und die kühle klare Luft atmen“. Diese würzige, reine Luft, die man sogar im hellen Sonnenlicht atmen konnte, ist mir unvergesslich.


Auf der Fahrt von Mount Hagen nach Tiripini sah ich zum ersten Mal den ganz anderen Menschenschlag der Hochlandleute. Kräftige, gedrungene Gestalten bewegten sich da am Straßenrand; die Gesichter schienen mir uriger und finsterer als die der vertrauten Küstenmenschen. In Tiripini begrüßte uns herzlich Astrid, Joachims Frau. Sie war Michaels Cousine, Tochter von Tante Berta und Onkel Hermann, und die Schwester von Ulrich in Madang. In den drei Wochen unseres Aufenthalts durfte ich mich nach ihrem Angebot so richtig hängenlassen, unauffällig nahm sie Amos unter ihre Fittiche, während ich lesen durfte, soviel ich wollte. Ich habe mich in der Kühle des Hochlands in erster Linie gesundgeschlafen, ich schlief und schlief, und erwachte dabei doch wieder zu neuem Leben. Nach einer Woche machten wir nachmittags bereits Spaziergänge mit unseren Kindern, abends zogen wir uns mit Behagen Pullover, lange Hosen und warme Socken an.


Wir fuhren zusammen zum Markt nach Mount Hagen, kauften Gemüse ein, richtige Kartoffeln, Karotten und Kohl, und kochten zu Hause einen deftigen Gemüseeintopf. Ich sagte zu Astrid: „Ich genieße es so sehr, mal wieder richtige Kartoffeln zu schälen, die ewigen Süßkartoffeln habe ich bis obenhin satt! Stell dir vor, in Begesin habe ich in meiner Sehnsucht nach deutschem Gemüse sogar versucht, Petersilie zu ziehen. Ich habe sie mit Bananenblättern vor der Sonne geschützt, sie gegossen, gehegt und gepflegt.“ „Na“, erwiderte die schon im Lande Aufgewachsene trocken, „viel mehr als ein paar floppige Blättchen kann nicht daraus geworden sein“. Womit sie recht hatte.


Im Dorf neben der Station sah ich Hochlandfrauen, die Ferkel an ihren Brüsten saugen ließen. Erschreckt fragte ich Astrid, wie so etwas möglich sein könne. „Was ist mit den Kindern, bekommen die denn noch genug Milch?“ Grimmig antwortete sie: „Weißt du, manchmal kann man nicht erkennen, wer hier den Vorzug hat, die Kinder oder die Ferkel. Die Schweine haben hier im Hochland einen so hohen kultischen Wert, dass die Regierung sogar Fahrerflucht empfiehlt, wenn jemand auf der Straße aus Versehen ein Schwein überfahren hat“ (xxx Anmerkung: Zum Phänomen der Porcophilie bzw. Porcophobie s. wieder Christopher Hitchens "Der Herr ist kein Hirte", Blessing-Verlag, 2008). Dies deswegen, weil der Fahrer Kopf und Kragen riskiert.