Verunsicherung

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Lange Umgewöhnungszeit

Vermischung der Sprachen

Von allem endlos viel vorhanden

Alle drei waren wir bemüht, nicht unsere Verunsicherung vor dem Superangebot zu zeigen, schließlich, was soll`s, es waren doch nur sechs Jahre vergangen. Unser Einkaufszettel war ein Mischmasch aus Englisch, Deutsch und Tok Pisin. Die Brotsorten fanden wir überwältigend. Ich schickte Amos noch eben Senf holen, dort hinten, in der Gegend musste er sein. Nach endlos scheinender Zeit tauchte er endlich mit ratlos-hilfesuchendem Blick auf: „Ich weiß nicht, was soll ich denn da nehmen, die haben hier drei Meter?“ Drei Meter Senf – inzwischen fasse ich mit sicherem Griff in das Senfregal, ich schlecke das Glas auch nicht mehr mit dem Finger aus, weil ich weiß, verinnerlicht habe, dass ich jederzeit neuen bekommen kann.


Wir entwickelten Tok Pisin zu einer Art Geheimsprache. Wenn wir in einem Lokal neben einer Gruppe von Amerikanern saßen, unterhielten wir uns genüsslich auf Tok Pisin mit seinem hart gerollten „R“ miteinander. Feixend nahmen wir wahr, wie die Amerikaner aufhorchten, etwas wie „sori tru“ irgendwie erkannten, aber doch nicht einordnen konnten.


Ich begann, die Menschen, die mir begegneten, in Kategorien einzuteilen, je nachdem, ob sie etwas von unserer Vergangenheit wissen wollten, oder nicht. Der ersten Kategorie ordnete ich die „Kulturfreaks“ zu, die niemals etwas wissen wollten, denn kaum hatte ich Niugini erwähnt, waren sie auch schon dabei, von ihrem letzten Urlaub zu schwärmen, in Venezuela war das, ach, diese Leichtigkeit, mit der die Menschen dort ihre Armut ertrugen. In Neuguinea waren Sie, da gibt es doch sicherlich wahnsinnige soziale Probleme? Hier witterte ich meine Chance, einzusteigen, ich hatte auch etwas zu erzählen, mitzuteilen, aber mein Gegenüber war bereits dabei, geradezu meisterhaft überzuleiten zu diesem interessanten Film, der gerade angelaufen war. Den kannte ich nicht? Aber den musste ich unbedingt ansehen, das war einer der wenigen Pflichtfilme!


Die nächste Gruppe waren die „Bodenständigen“, die ihr Leben im Hier und Jetzt so gut im Griff hatten, dass sie von Vergangenem oder gar Andersartigem rein gar nichts wissen wollten. Sie waren zufrieden mit ihrem Leben, mochten nicht hinterfragen, was ohnehin geregelt und befriedigend ablief. Es war angenehm auszukommen mit den Bodenständigen. Mit ihnen konnte man einen netten Abend verbringen, bei dem die Grenzen des Gesprächs klar abgesteckt waren und akzeptiert wurden. Gut, verbrachten wir also einen netten Abend miteinander, an dem wir uns erzählten, wie unsere Kinder sich in der Schule entwickelten, wie großartig wir uns nach der letzten Gymnastik gefühlt hatten … Ein netter Abend – noch Jahre später wussten meine Kinder, was gemeint war, wenn ich sagte: „Es war nett“.