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Verwaltungsregionen

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Verwaltungsregionen und Wirtschaftsräume

Die fünf Teile des Ganzen

Italien ist in zwanzig Verwaltungsregionen (Regioni) gegliedert, von denen fünf aus geographischen und historischen Gründen ein Sonderstatut innehaben, das ihnen besondere Formen und Bedingungen der Autonomie einräumt: Val d´Aosta (Aostatal), Trentino-Alto Adige (Südtirol), Friaul-Julisch Venetien, Sizilien und Sardinien. Jede Region untergliedert sich wiederum in Provinzen (Province), von denen es 103 auf der Apenninhalbinsel gibt.

Die reichsten Regionen bzw. Provinzen finden sich im wirtschaftlich prosperierenden Norditalien: Aostatal, Piemont, Ligurien, Lombardei, Trentin-Südtirol, Venetien, Friaul-Julisch Venetien und Emilia-Romagna. Ihnen entsprechen drei Naturräume – Alpen, Po-Ebene und Ligurien – wo auf 40 % der Landesfläche 45 % aller Italiener leben und 56 % des Volkseinkommens erwirtschaften. Seit dem Ende der siebziger Jahre wächst der Unmut im reichen Norden. Die Regierungen in Rom transferierten ungeniert öffentliche Gelder in Milliardenhöhe in den Süden: nicht etwa, um dessen Wirtschaft auf die Beine zu bringen, sondern um die eigene Wählerbasis auszubauen und – häufig mit Hilfe der Mafia – zu sichern.

Mittelitalien: die vier Verwaltungsregionen Toskana, Umbrien, Marken und Latium, auf dem Südausläufer des Apennin, verstehen sich als kulturelles Herzstück Italiens. Tatsächlich hatten hier die etruskische und römische Zivilisation ihre Wurzeln, und hier begann auch die Renaissance ihren Siegeszug durch Europa. Mittelitalien ist eine Region des Übergangs: sowohl was Klima und Vegetation, als auch was die Wirtschaft angeht. 19,1 % der Italiener leben hier und beanspruchen damit genauso viel Raum, wie ihnen statistisch zusteht: 19,4 % der Gesamtfläche. Ihre Wirtschaftsleistung beträgt immerhin 20 % des Bruttoinlandsprodukts (Maß für die Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland).

Süditalien, der vor den Toren Roms beginnende Mezzogiorno, umfaßt die sieben Verwaltungsregionen Molise, Kampanien, Puglia, Basilicata, Kalabrien, Sizilien und Sardinien. Die »Süditaliener«, 36 % aller Landeskinder, beanspruchen 40 % der Landesfläche, erwirtschaften aber nur 24 % des Bruttoinlandsprodukts. Dieses offensichtliche Mißverhältnis wird ihnen vom »fleißigen« Norden zum Vorwurf gemacht. Das Klischee vom »faulen« Südländer wird also auch innerhalb der Landesgrenzen gepflegt – das ist in Spanien oder Portugal übrigens nicht anders. Historische Gründe werden dabei gerne übersehen. Unstrittig ist jedoch, dass jene Milliarden Dollar an Steuermitteln überwiegend aus dem Norden stammen, mit denen Hilfsprogramme für den Süden finanziert wurden und die vielfach in den Kassen der Mafia landeten. Futter für die Lega Nord.

Norditalien ist im Gegensatz zum Süden eher vom Merkantilismus geprägt. Hier entstanden die ersten Banken, die Niederlassungen an allen Finanzplätzen der damaligen Welt unterhielten. So geht die Londoner Lombard Street in der City und der »Lombardsatz« auf die Lombardei, bzw. die Langobarden, zurück. Alle möglichen Ausdrücke aus der Finanzwelt sind italienischen Ursprungs (Bank, Konto, Disagio usw.). Hier entstand ein reiches, selbstbewußtes Bürgertum, herrschten die Stadtstaaten, Florenz, Venedig, Pisa usw., bis zur allmählichen Abschnürung des östlichen Mittelmeeres durch die Türken (Byzanz), deren Macht erst mit der Seeschlacht von Lepanto kurz vor der Entdeckung Amerikas gebrochen wurde. Süditalien und Sizilien verharrten dagegen in dumpfem Katholizismus und bäuerlichen bzw. feudalen Strukturen. Eine ähnliche Zweiteilung läßt sich in Spanien auch bei Kastilien und Katalonien beobachten. Norditaliener und Katalanen haben von ihrer Mentalität her – nicht von ihrer Kultur – mehr Gemeinsamkeiten mit Nordeuropäern als mit ihren Landsleuten in Apulien bzw. Kastilien. Überall, wo Geld in eine Gesellschaft eindringt, wo langfristige Planung und Investitionen gefordert sind, ändert sich der Charakter der Menschen, weicht Offenheit und Spontanität einem verhaltenen Benehmen, treten Kalkül und Berechnung in die Beziehungen, denn durch ein gutes Pokergesicht, durch Intrigen usw. lassen sich auf einmal leicht Vorteile erlangen.

Dass wir »Süditaliener« in Anführungszeichen setzten, hat seinen Grund: es handelt sich nämlich keinesfalls um eine homogene Volksgruppe. Gemeinsam haben sie aber die Last der Unterentwicklung zu tragen – von den zerstörerischen Folgen der Überentwicklung spricht seltsamerweise niemand! – sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht. Was Wunder, wenn die aktive Bevölkerung nach Norditalien »auswandert« oder gleich ihr Heil in Übersee sucht (Vereinigte Staaten, Argentinien usw.). Auch in den deutschsprachigen Nachbarstaaten nördlich der Alpen haben viele Italiener aus dem Süden eine neue Heimat gefunden. Aus Gastarbeitern auf Zeit wurden dabei häufig angesehene Mitbürger. Die Integration ging aber nicht soweit wie in Frankreich, wo Namen wie Michel Coluche, Yves Montand oder Michel Platini längst als französisch betrachtet werden.