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Mitte der 90er

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Machtübernahme

Der Aufstieg Berlusconis

Von Affären und Korruption

1994: Nach fast 50 Jahren politischer Dominanz Auflösung der DC (Democrazia Cristiana) und Neugründung der Mitte-Rechts-Partei Partito Popolare Italiano (PPI, Italienische Volkspartei) sowie des rechtskonservativen Ablegers Christlich Demokratisches Zentrum. Alle wegen Korruptionsaffären verfolgten Funktionäre und Parlamentarier sollen entmachtet werden.

Mit der rechten Bewegung Forza Italia (Vorwärts Italien) steigt der Mailänder Medienzar Silvio Berlusconi, genannt Cavaliere, weil er den Titel Ritter der Arbeit trägt, in die politische Arena, um gemeinsam mit der Lega Nord Italien vor einer Machtübernahme der Linken zu retten.

Rechtsruck bei den Parlamentswahlen: Das Rechtsbündnis aus Forza Italia (Berlusconi), Nationaler Allianz (Neofaschisten/Ex-MSI) und Lega Nord erreicht 366 der 630 Mandate und verweist damit die Linksallianz der Progressisten unter Führung der PDS sowie die aus den Christdemokraten hervorgegangene Volkspartei (PPI) auf die Plätze. Die Regierungsbildung gestaltet sich jedoch schwierig: So lassen sich die föderalen Grundsätze der Lega Nord nur schwer mit dem zentralistischen Staatsverständnis der Faschisten unter einen Hut bringen. Immerhin stellt Finis MSI fünf Minister.

Aus den Europawahlen geht Forza Italien mit 30,6 % der Stimmen gestärkt hervor (plus 9 % vgl. mit Parlamentswahlen); Alleanza Nationale und Lega Nord verlieren wenige Prozente und liegen bei 12,5 % bzw. 6,6 %.

In einem Geheimabkommen mit Slowenien verspricht Italien, den Wiederstand gegen slowenische EU-Beitrittswünsche aufzugeben. 300 Häuser in diversen Küstenstädten sowie rund 7000 weitere Besitzungen sollen aus Istrien vertriebenen Italienern rückübereignet werden. Der slowenische Außenminister muss zurücktreten. Die Beziehungen sind wieder auf dem Nullpunkt.

Finis MSI löst sich auf und nennt sich fortan Alleanza Nazionale.

Berlusconi entlässt im Juli per Amnestieverordnung Tausende von Untersuchungshäftlingen, darunter viele korruptionsverdächtige Politiker, wie den Ex-Gesundheitsminister de Lorenzo, dem die Pharmaindustrie 2 Mio. Euro zugesteckt hatte, sowie den ehemaligen stellvertretenden Sozialistenchef di Donato, und will weitere vor U-Haft schützen. Unter ihnen hätte sich auch sein korrupter Bruder Paolo befunden. Nach einem Sturm der Entrüstung nimmt er das Dekret zurück, aber alle bereits Entlassenen bleiben auf freiem Fuß.
Umberto Bossi (Lega Nord) muss wegen Schmiergeldzahlungen von Montedison auf die Anklagebank wie viele andere Politiker auch. Ex-Sozialistenparteisekretär Bettino Craxi entfleucht ins sichere Tunesien. Erst 1995 wird ein Haftbefehl ausgestellt, doch bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Abwesenheit, weil die Tunesier Craxi nicht ausliefern, sollte es Herbst werden (18 Jahre Haft als Gesamtstrafe).

Berlusconi lockert Umweltschutzbestimmungen und legalisiert Millionen von Schwarzbauten. Italien verzeichnet mit 800 kg pro Kopf das Doppelte des deutschen Zementbedarfs.

Berlusconi muss formell während seiner Amtszeit die Macht über seinen Medienkonzern abgeben, lässt aber beim staatlichen Fernsehen RAI gleich die Führungsposten durch seine Gefolgsleute besetzen.

Ausgerechnet während einer internationalen Konferenz über Kriminalität unter Berlusconis Vorsitz im November in Neapel wird bekannt, dass die Mailänder Justiz gegen ihn wegen Korruption in der Fininvest-Affäre ermittelt. Auch seinem Bruder Paolo, der bereits Zahlungen gestanden hatte, droht eine Verhaftung. Das römische Kassationsgericht entzieht den Saubere-Hände -Ermittlern, darunter Di Pietro, den Fall, worauf diese von ihren Ämtern zurücktreten.

Tod Dominico Modugnos, Schlagerstar der fünfziger Jahre ("Volare").

Die Lega Nord kündigt die Koalition mit Forza Italia, so dass Berlusconi zurücktritt. Ein Tag später wird sein Bruder Paolo zu sieben Jahren Haft verurteilt.
1995: Der Parteilose Lamberto Dini bildet eine Regierung der Fachleute, die von vorneherein als Übergangslösung betrachtet wurde und mit dem Anspruch angetreten war, den Staatshaushalt zu sanieren.

Im italienischen Parteienspektrum formieren sich 1995 zwei große Lager, bestehend aus einer Mitte-Rechts-Allianz mit Forza Italia (FI), Alleanza Nazionale (AN), den rechten Christdemokraten (CCD, CDU) auf der einen und der linken Mitte bzw. Linken (PDS, PPI) auf der anderen Seite.

Schlagzeilen von 1995 im Telegrammstil

Verwaltungsgericht Latium verbietet durch eine aufsehenerregende Entscheidung das Rauchen in der Öffentlichkeit mit landesweiter Wirkung +++ Die Madonna von Civitavecchia weint Blut, behaupten fromme Geister +++ Rocklady Gianna Nannini promoviert mit summa cum laude an der philosophischen Fakultät von Siena +++ Modezar Maurizio Gucci wird erschossen. Andere Modefürsten stehen vor Gericht, darunter Versace und Armani, weil sie Finanzbeamte geschmiert hatten +++ Mailänder Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Berlusconi wegen Korruption +++ Parlamentarische Immunität Guilio Andreottis wird zur Vorbereitung seines Prozesses wegen »mafioser« Tätigkeit im September aufgehoben +++ Mafia schafft den rituellen, aber verräterischen Kuss zwischen uomini d´onore, den Ehrenmännern, ab +++ Leo Kirch beteiligt sich mit 10 % an Berlusconis Medienkonzern +++ Fabio Casartelli rast bei der Tour de France gegen einen Begrenzungsstein und stirbt. Der Merdinger Dirk Baldinger kann nicht mehr ausweichen, trägt einen Beckenbruch davon und sagt, es sei alles nicht so schlimm, wenn er sich nicht bewege, und sinniert, ob er nunmehr am Berg einen Helm tragen werde (Aber nicht doch Dirk, lass es: Es war das Becken, nicht die Birne) +++ Italien verschärft seine Einwanderungsbestimmungen und erleichtert die Abschiebung straffälliger Ausländer +++ Italienische Regierung legalisiert bisher verbotene Sportwetten, um neue Einnahmequelle anzuzapfen +++ Der deutsche Bundesfinanzminister Waigel erzürnt die Italiener mit seiner Aussage, ihr Land sei noch nicht reif für die Währungsunion.

26.9.1995: Prozesseröffnung in Palermo gegen den langjährigen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti siebenmal Regierungschef, dreiunddreißigmal Minister, von Kohl und Genscher als Kulturträger Europas gerühmt. Hauptvorwurf: Andreotti soll römischer Beauftragter der sizilianischen Cosa Nostra gewesen sein. Niemand Geringeres als Mafiaboss Tomaso Buscetta bezeichnete Il Volpe (Der Fuchs) als Gewährsmann der Cosa Nostra, der über den mafiafreundlichen sizilianischen Gerichtspräsidenten Carnevale für die Abmilderung von Urteilen zu sorgen hatte. Mafiaboss Totó Riina soll ihn nach Aussagen eines Leibwächters geküsst haben.

Ansonsten: Prozesse in Perugia und in Mailand, u.a. gegen Bossi, Craxi, Forlani, drei Manager Berlusconis.